Die siebte Gemeinde (German Edition)
ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab, denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.«
»Puh«, stöhnte Emma. »Und wie lautet die letzte Textstelle?«
»Tja, da bin ich mir nicht sicher, ob es nun Vers 1 und 2 oder doch Vers 12 ist. Ich lese mal beide vor: Als Jesus den Tempel verlassen hatte, wandten sich seine Jünger an ihn und wiesen ihn auf die gewaltigen Bauten des Tempels hin. Er sagte zu ihnen: Seht ihr das alles? Amen, das sage ich euch: Kein Stein wird hier auf dem andern bleiben, alles wird niedergerissen werden.« Elias atmete tief aus. »Oder es ist Vers 12: Und weil die Missachtung von Gottes Gesetz überhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten.«
»Vielleicht kommt das jetzt vollkommen überraschend für dich«, sagte Emma, während sie genüsslich an ihrem Kaffee schlürfte. »Aber ich versteh überhaupt nichts.«
»Eventuell sollen die Textstellen nur ein zusätzlicher Hinweis zu den eigentlichen Nachrichten sein?«, meinte Elias und rieb sich nachdenklich sein Kinn. Er blätterte in der Bibel hin und her, schrieb sich die Passagen heraus und legte die Mitteilungen von Matteo daneben. Hin und wieder ließ er ein paar Wortfetzen in den Raum fallen. »Köln … Dom … Heilige Stadt … Tempel … niedergerissener Tempel … Dämonen … Menschenhasser … Mann vorm Barock?«
»Möchtest du noch einen Kaffee?«, fragte ihn Emma, die zwischenzeitig wieder vor der Maschine stand, um sich eine weitere Tasse einzuschenken. Längst hatte sie aufgehört, sich den Kopf zu zerbrechen.
»Wie? Ja, ja, gerne.« Achtlos schob er seine Tasse an den Rand des Schreibtisches und widmete sich den Notizen.
»Sag mal, Emma«, fragte er, ohne aufzuschauen, »müsste es in der letzten Nachricht nicht eigentlich heißen, ›vor anno dazumal‹ anstatt ›von Anno dazumal‹?«
Emma trat mit einer gefüllten Tasse an den Tisch und blickte ihm über die Schulter. »Stellen wir also fest, dass Matteo Nachhilfe in Deutsch benötigt. Also doch der Kerl aus Altenberg.«
»Du bist echt bescheuert«, sagte er kopfschüttelnd. »Nein, ich denke vielmehr, dass es Absicht war.«
Er legte seinen Kopf in den Nacken und stierte an die Decke. Seine Lippen bewegten sich zwar, er gab aber keinen Laut von sich.
»Das ist es«, schrie er plötzlich und sprang ruckartig von seinem Stuhl auf. Emma, die an ihrer Tasse nippte, hätte sich beinahe den Kaffee über den Pullover geschüttet.
»Was ist es?«, fragte sie.
Hektisch packte Elias seine Zettel zusammen. »Das würde zu lange dauern, dir das hier zu erklären«, meinte er und rannte zu seinem Mantel. »Das muss ich dir zeigen. Komm, zieh deine Jacke an, wir müssen zum Dom.«
Emma hastete hinter Elias her. »Sag mir doch wenigstens, um was es geht«, rief sie ihm aufgeregt hinterher.
»Wir sind doch gleich da. Nur Geduld.«
»Wie kommt denn nun der plötzliche Geistesblitz?« hakte sie nach. »Göttliche Eingebung, oder was?«
»Nicht ganz«, grinste Elias verschmitzt. »Eher eine Erinnerung an einen Aushilfsjob, den ich mal hatte.«
»Was für ein Job denn? Und warum müssen wir ausgerechnet zum Dom?«
Elias blieb stehen und schaute sie eindringlich an. »Du mutierst zur Nervensäge, weißt du das? Kannst du nicht mal eine Minute abwarten und deinen Mund halten?«
Emma grinste und deutete mit einer Handbewegung an, dass sie ihren Mund abschloss. Danach warf sie den imaginären Schlüssel über ihre Schulter.
»Nachdem wir das geklärt haben«, lächelte Elias, »folge mir bitte an die Südseite des Domes. Wir müssen zum Römisch-Germanischen Museum.«
Emma folgte ihm stumm. Sie eilten über die Domplatte hinweg, vorbei an Besuchergruppen und vereinzelten Pantomimekünstlern, bis Elias am Durchgang zwischen Dom und dem Museum stehen blieb. Er kramte in seinem Mantel und holte einen Zettel heraus. »Das hier ist Nachricht Nummer drei«, begann er. »Die von deiner Tür. Du erinnerst dich?«
Emma nickte wortlos.
»Trinken kein Kölsch, sondern spucken mit Wasser«, wiederholte er einen Teil des Wortlauts und deutete gegen die Domfassade. »Siehst du die Wasserspucker, dort oben?«
Wieder nickte Emma.
»Meistens werden solche Wasserspeier als Dämonen dargestellt. Siehst du das?«
Emma hob blitzartig ihren Arm, als würde sie sich in einer Unterrichtsstunde melden. »Darf ist jetzt wieder was sagen?«, fragte sie mit kindlicher Stimme.
Elias verdrehte
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