Die siebte Gemeinde (German Edition)
aber eine vor ihnen steht, bekommen sie kalte Füße. In Wahrheit wollt ihr lieber ein ja-sagendes Hausmütterchen, als eine erfolgreiche Managerin. Stimmt’s nicht?«
»Ja, stimmt, wir Männer haben ein Ego-Problem.« Elias grinste. »Wenn wir Kerle nicht das Gefühl haben, dass wir für die Brötchen sorgen, dann fühlen wir uns eben nicht wie vollwertige Männer.«
Noch ehe Emma zu einem weiteren Satz ausholen konnte, klingelte Elias’ Mobiltelefon. Genervt griff er danach, schaute auf das Display und hielt es wortlos vor Emmas Gesicht. Diese zog überrascht die Augenbrauen nach oben. »Das wurde auch Zeit.«
»Gustav, wo hast du dich denn herumgetrieben?«, blökte Elias los und änderte augenblicklich seine Stimmlage. »Oh, Hallo Frau Böttcher, … Entschuldigung, aber ich dachte es wäre Gustav.« Er hielt das Telefon an seine Brust. »Seine Haushälterin.«
»Ja ...«, nickte er, als er das Telefon zurück am Ohr hatte. »Ich hatte ihn angerufen, … genau, wir waren heute Morgen um zehn Uhr verabredet … Was!? Was ist passiert? … Und wie geht es ihm? … Aha, glauben Sie wir können ihn besuchen? … Ja, selbstverständlich. Das ist kein Problem. … Ach, Frau Böttcher, sagen Sie ihm, wenn er wieder ansprechbar ist, ich hätte die Unterlagen bei ihm im Büro in den Tresor gelegt! … Okay, Frau Böttcher, bis morgen dann.« Sichtlich angespannt legte Elias das Telefon auf den Tisch.
»Was ist passiert?«, fragte Emma ungeduldig.
»Der Professor ist heute Morgen überfallen worden«, erzählte Elias aufgelöst. »Jemand hat ihm in seinem Haus rücklings auf den Kopf geschlagen. Frau Böttcher hat ihn bewusstlos in seinem Wohnzimmer liegend vorgefunden. Die Polizei und die Ärzte sind noch bei ihm. Soweit soll es ihm aber ganz gut gehen, und wenn wir wollen, können wir ihn morgen schon besuchen.«
Sie beschlossen, unverzüglich zu bezahlen und sich auf den Weg zurück nach Köln zu machen.
»Drohungen, Mord, Verfolgung und Überfälle«, sinnierte Emma auf dem Beifahrersitz vor sich hin. »Können Sie mir sagen, Herr Seydel, warum wir uns das alles antun?« Unglücklich schaute sie durch die Seitenscheibe hindurch auf die kargen Bäume des Waldstücks, das sie gerade durchfuhren, schenkte jedoch der Landschaft, die an ihren Augen vorbeirauschte, keine Beachtung.
»Warum ich es tue, sollte soweit klar sein«, antwortete Elias. »Doch warum quälen Sie sich? Sie könnten doch gemütlich auf Ihrer Couch sitzen und ein gutes Buch lesen.«
Emma blickte weiterhin gedankenverloren aus dem Seitenfenster. »Ich glaube«, sagte sie, ohne auf Elias zu schauen, »dass ich gar keine andere Wahl habe. Irgendwie scheint mich jemand, warum auch immer, in diese Geschichte hineinziehen zu wollen. Nur zu gerne würde ich mich heraushalten, doch dann bekomme ich wieder eine neue Nachricht oder werde mit sonstigem Mist konfrontiert.« Sie schaute für einen kurzen Moment auf Elias, der die Straße im Blick hatte. Die Schneewehen hatten auf dem Asphalt einen schmierigen Matschfilm hinterlassen. »Außerdem mache ich mir Vorwürfe, dass ich den Tod Ihres Vaters hätte verhindern können.«
Elias zog verwundert die Augenbrauen nach oben. »Wieso das denn? Da hatten Sie nun wirklich keine Schuld dran.«
»Na ja, ich denke, wenn ich früher auf die Nachrichten reagiert hätte oder ich mich unterwegs zum Laden nicht hätte aufhalten lassen, ich die Bahn nicht verpasst hätte, dass ich dann vielleicht rechtzeitig vor Ort gewesen wäre, um das Schlimmste zu verhindern.«
Elias nahm seine rechte Hand vom Lenkrad und legte sie auf Emmas Knie. »Sie sollten sich nicht solche Vorwürfe machen, Frau Kemmerling«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Ich befand mich während des Überfalls zwei Räume weiter und hatte keine Chance, die Tat zu verhindern. Woher sollten Sie ahnen, dass ein Mord geschehen wird?«
Emma schaute verdutzt auf Elias’ Hand, die noch immer auf ihrem Knie ruhte. Normalerweise hätte sie sie sofort beiseite geschlagen und ihm einen abfälligen Kommentar an den Kopf geschmettert. Doch zu ihrer eigenen Überraschung empfand sie die Berührung als angenehm. Wahrscheinlich, so glaubte sie, lag es an der Art, wie er es tat. Ohne einen offensichtlichen Hintergedanken, in einer brüderlich sanften Art, die Emma ein wärmendes Gefühl bescherte.
»Sie haben ja recht«, sagte sie. »Aber solche Gedanken kann man manchmal nicht verhindern. Wenn alles, aber auch wirklich alles schief läuft, macht man sich schnell
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