Die siebte Gemeinde (German Edition)
entnervt die Augen. »Lass es raus. Ich habe mich ohnehin schon gewundert, dass es so lange gedauert hat.«
»Warum Mann vorm Barock? Warum Geißbock?«
»Na ja«, setzte Elias fort, »wenn du mich hättest ausreden lassen, hättest du dir die Luft für diese Frage sparen können.« Er drehte sich wieder zum Dom und zeigte zur Fassade. »Schau dort oben in die Ecke, dort wo die drei Wasserspeier unmittelbar nebeneinander sitzen.«
Emma blinzelte an Elias’ Arm vorbei gegen den Dom. »Ja, kann ich sehen.«
»Nicht immer handelt es sich bei solchen Wasserspuckern um Dämonen«, setzte er fort. »Manchmal setzt die Dombauhütte besonderen Personen, die eine Bedeutung für Köln oder den Dom haben, ein Denkmal. Im Rechten der drei Wasserspucker haben sie dem Maskottchen des 1. FC Köln die Ehre erwiesen. Das ist Hennes der Geißbock. Und der Wasserspeier daneben soll den ersten Baumeister des Kölner Doms darstellen, Gerhard von Ryle. Manchmal wird er auch Gerard von Rile oder Gerhard Morart genannt. Er hat im Jahr 1248 mit den Bauarbeiten des Domes begonnen.« Elias hob grinsend seine Hand. »Das ist unser Mann vorm Barock.«
Emma schürzte anerkennend die Lippen und nickte mit dem Kopf. »Kannst du mir sagen, woher du das weißt?«
»Das hat mit meiner eben erwähnten Aushilfstätigkeit zu tun. Ich habe mir vor Jahren Geld mit Stadtführungen hinzu verdient. Daher weiß ich solche Dinge, wie das mit den Wasserspuckern.«
»Nein«, schüttelte Emma mit dem Kopf, »ich meine, wie bist du gerade jetzt darauf gekommen? Sag bloß, die Bibelstellen haben dir weitergeholfen?«
»Irgendwie schon«, meinte Elias und zückte einen weiteren Zettel aus der Tasche. »Das hier ist die Textstelle zu dem Rätsel mit den Wasserspuckern.« Er hielt ihr das Blatt unter die Nase und las es vor. »Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab …« Elias schaute von dem Zettel auf und blickte Emma fragend an, die erkennbar die Stirn in Falten warf. »Kennst du eigentlich die Geschichte über Gerhard von Ryle, dem ersten Baumeister des Kölner Doms?«
Emma schüttelte den Kopf. »Ich schätze, du wirst mich jetzt außerordentlich verachten, aber leider nein.«
Elias stützte sich mit den Ellenbogen rücklings gegen die Mauer. »Gerhard von Ryle«, begann er, nachdem er tief Luft geholt hatte, »soll der Legende nach eine Wette mit dem Teufel abgeschlossen haben. Er wettete um seine Seele, dass er den Dom schneller fertigstellen könnte, als der Teufel selbst eine Wasserleitung von Trier nach Köln bauen könnte. Als Gerhard eines Tages auf dem Gerüst des Domes stand und unten eine Ente in einem Fluss schwimmen sah, obwohl dort am Morgen noch kein Wasser floss, dachte er, er hätte die Wette gegen den Teufel verloren und stürzte sich vom Dom, um den Teufel, den er in der Ente vermutete, zu erschlagen und gleichzeitig seine eigene Seele zu retten.« Elias deutete zu dem Wasserspucker, der den Baumeister darstellen sollte. »Tatsächlich ist Gerhard von Ryle im Jahr 1265 tödlich vom Dom gestürzt, und dieser Wasserspucker dort soll den stürzenden Baumeister darstellen. Daher auch die Verbindung mit dieser Bibelstelle.« Er lächelte und tippte auf seinen Zettel, den er noch immer in Händen hielt. »Und wenn man ganz spitzfindig diese Bibelstelle liest, könnte man sogar behaupten, dass Köln die ›Heilige Stadt‹ sein soll und der ›Tempel‹ ist selbstverständlich der Dom.«
»Warum?«, fragte Emma schulterzuckend.
»Als Heilige Stadt wird in der Bibel stets Jerusalem bezeichnet. Die Stadt mit den zwölf Stadttoren. Jeweils drei im Westen, im Süden, im Osten und im Norden. Köln hatte, als sie im Mittelalter von einer Stadtmauer umgeben war, wie Jerusalem, zwölf solcher Stadttore. Daher wurde Köln auch als die ›Heilige Stadt‹ bezeichnet.« Elias drehte sich mit dem Rücken zu Emma und breitete vor der Kirche die Arme aus. »Und nicht nur deswegen. Der Kölner Dom, vor dem wir hier stehen«, setzte er fort, »hat ebenfalls einen Bezug zu Jerusalem. Auch er besitzt zwölf Tore. Drei in jeder Himmelsrichtung.«
Emma pfiff begeistert. »Nicht schlecht. Ich habe in den letzten fünf Minuten mehr über Köln erfahren, als in den zehn Jahren zuvor, seitdem ich hier lebe.« Sie lehnte sich neben Elias gegen die Mauer. »Wir wissen also jetzt, dass unsere Suche etwas mit diesem Baumeister zu tun haben muss. Aber
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