Die Siechenmagd
Willen deines Vaters. Brenn doch mit ihm durch. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass so etwas geschieht. Dein Herzliebster scheint ein fahrender Gesell zu sein, wie ich von Gottfried weiß. Eine soviel schlechtere Partie als ein Abdeckersohn ist das ja nun auch nicht gerade! Aber warum lässt es dein Galan überhaupt zu, dass ein anderer um dich freit? Er müsste doch jetzt alles tun, um diese Heirat zu verhindern, wenn ihm ernsthaft etwas an dir liegt“, wirft Neuhaus ein.
„Er weiß ja von allem gar nichts, ich konnte ja noch nicht einmal mit ihm reden, sie lassen uns ja nicht mehr zusammenkommen! Vorhin war er ja auch da und Gottfried hat ihm auf die Nase gehauen. Und vor ein paar Tagen hat ihn mein Vater vom Hof gejagt, wie einen Dieb. Ich kann ja nicht mehr zu ihm, ich steh doch immer unter Bewachung – und das habt Ihr ja auch so gewollt.“ Erneut bricht Mäu in Tränen aus und verbirgt ihr Gesicht in den Händen.
„Wein doch nicht, meine Kleine! Du dauerst mich. Es gibt bestimmt eine Lösung und ich verspreche dir, ich werde dir helfen.
Lass uns jetzt mal überlegen. Wo hält er sich denn auf, dein fahrender Freund? Vielleicht können wir ihm erst einmal eine Nachricht zukommen lassen, damit er Bescheid weiß und sich bereithält“, schlägt Neuhaus vor und streichelt dabei sanft über Mäus Kopf. „Ich könnte später den Schellenknecht mit einer Botschaft zu ihm schicken. Vielleicht kann ich bald sogar ein Treffen für euch organisieren, von dem niemand etwas zu wissen braucht. Du musst mir nur vertrauen. Was hast du denn dabei zu verlieren? Erzähl mir mehr von ihm, das kann doch wirklich nichts schaden“, redet er in einschmeichelndem Tonfall auf sie ein.
Mäu zögert eine Weile, bevor sie zu sprechen anfängt:
„Warum wollt gerade Ihr mir jetzt helfen? Vor kurzem noch habt Ihr Euch als mein Tugendwächter aufgespielt und jetzt wollt Ihr auf einmal den Kuppler machen! Ich glaube Euch nicht so recht. Ich weiß zwar nicht, warum Ihr auf einmal so hilfsbereit seid, aber irgendetwas führt Ihr bestimmt dabei im Schilde. – Genau wie alle anderen auch, die sich keinen Deut um mich und mein Glück scheren!“, endet Mäu bitter.
„Wenn Sie meint, Jungfer. Aber ich will nur Ihr Bestes und Sie tut mir unrecht. Das wird Sie schon noch erkennen. Sie will diesen Abdeckerflegel nicht ehelichen? Gut, ich werde es verhindern. Die nächsten Tage schicke ich Gottfried zu Ihrem Vater, um mich mit ihm zu besprechen. Darauf kann Sie sich verlassen! Wenn das Geld lacht, werden wir ihn vielleicht dazu bringen, von seinen dummen Heiratsplänen abzurücken. Das dürfte schon zu machen sein, denk ich! So, und glaubt Sie jetzt immer noch, ich wäre nicht auf Ihrer Seite?“, entgegnet Neuhaus merklich kühler, Mäu dabei in der dritten Person ansprechend, wie es Dienstboten und Personen niederen Standes gegenüber üblich ist.
„Und bei dieser Gelegenheit könnte ich auch versuchen, ein gutes Wort für Sie und ihren Vaganten einzulegen. Vielleicht akzeptiert ihn ja Ihr Vater als Schwiegersohn, wenn er tüchtig ist und ihm bei seinem Gewerbe zur Hand geht. Jedenfalls werde ich alles versuchen, Ihren Vater umzustimmen. Ihr Glück liegt mir am Herzen. Jedenfalls soll Sie keinen Mann heiraten müssen, der Ihr so zuwider ist!“, beteuert Neuhaus eindringlich.
„Das wäre schon ein Wunder, wenn Ihr das hinkriegen würdet, den alten Dickkopf zu bearbeiten! – Jedenfalls ist es anständig von Euch, dass Ihr es probieren wollt. Danke!“, erwidert Mäu zögerlich.
Später, als sie die Holzdielen schrubbt und anschließend mit Bienenwachs poliert, hat sie reichlich Gelegenheit, über alles nachzudenken. Ihr Misstrauen gegenüber Neuhaus wechselt sich mit der Hoffnung ab, alles könnte doch noch gut werden. Einen richtigen Prass hat er gekriegt, als sie ihm vorhin von ihrer anstehenden Verheiratung erzählt hat, und es schien ihm auch ernst damit zu sein, dagegen etwas zu unternehmen. Es war vielleicht gar nicht so verkehrt, dass sie mit ihm darüber geredet hat. Wenn der den Alten mal so richtig unter die Kandare nimmt und ihn dann auch noch entsprechend schmiert, überlegt er sich’s vielleicht doch noch mit dem Frettchen…
Am Nachmittag, als Mäu gerade gegangen ist, begibt sich Ulrich Neuhaus an sein Schreibpult, stützt den Kopf in die Hände und denkt konzentriert nach, wie er die Situation in seinem Sinne ändern und beeinflussen kann. Schon seit einiger Zeit steht für ihn fest, dass er Mäu als Magd
Weitere Kostenlose Bücher