Die Siechenmagd
altgedientes Dienstmädchen. Das dürfte aber im Falle eines Geschöpfes, das sowieso in den Stand der Rechtlosen hineingeboren wurde, nicht allzu schwierig werden. Das zweite Problem stellt dieser Bettelvagabund dar, an dem Mäu so hängt. Er und seine Bagage dürfen auf keinen Fall noch länger in der Gegend bleiben, das bringt nur Unruhe ins Spiel und die liebestolle Jungfer wird versuchen, ihm hinterherzuhecheln, wie bisher. Neuhaus ist sich im Klaren darüber, dass in dieser Angelegenheit unbedingt ein Riegel vorgeschoben werden muss. Und zwar am besten ein für alle Mal. Er wird sich deswegen noch mit Gottfried besprechen, der müsste ja auch bald von seiner Exkursion zurück sein.
Nachdem er solcherart mit sich ins Reine gekommen ist, öffnet Neuhaus zielstrebig sein Schreibpult und verfasst zügig zwei Schreiben, welche er anschließend sorgfältig versiegelt und beiseite legt. Das eine Schriftstück ist an den Ratsherrn Kaulbach gerichtet, der als eingesetzter städtischer Obmann für die Belange der Pfründner auf dem Gutleuthof zuständig ist und auch treuhänderisch das Vermögen der Kranken verwaltet. Es enthält die Anweisung, Neuhaus aus seiner Leibrente 200 Gulden auszuzahlen. Das zweite Schreiben enthält eine Notiz an seinen Advokatus Doktor Schuchardt, worin Neuhaus ihm die Angelegenheit kurz schildert, verbunden mit seiner Vorstellung, wie ein entsprechender Kontrakt auszusehen hätte. Nach getaner Arbeit erhebt sich der ehemalige Kaufmann, tritt an den Tisch, um sich einen Becher Malvasier einzuschenken und mit sich selber auf gutes Gelingen zu trinken. Zuversichtlich und erfüllt von vitalem Tatendrang wie in seinen besseren Zeiten, lässt er sich auf den Lehnstuhl sinken und reckt die Glieder. Es ist Zeit für die Medizin, denkt er und will sich gerade erheben, um die Schlangentinktur vom Wandbord zu holen, als es an der Tür klopft: Der Klingelmann meldet sich zurück. Neuhaus bietet Gottfried einen Becher Wein an und fordert ihn erwartungsvoll auf, doch sogleich ausführlich Rapport zu erstatten. Der Schellenknecht nimmt einen tiefen Schluck, wischt sich den Schweiß von der Stirn und beginnt mit seinem Bericht:
„Ist nach Frankfurt gemacht, der Schlawiner. Unten am Main kampieren sie, in den Abortbuden, wo sich immer das ganze Bettelpack rumdrückt. Sind zusammen fünf Kerle und zwei Weibsleut, wie ich gesehen hab. Alles abgerissene Halunken, nicht viel älter als die Schundmummeistochter. – Hab ihm ganz schön eine verpasst, heut Morgen, dem Schluri. Trägt einen dick geschwollenen Zinken in seinem hübschen Lärvchen“, setzt Gottfried hinzu und grinst schadenfroh.
„Gut gemacht, Gottfried! Das will ich dir auch angemessen vergüten. Fest steht: Das Gesindel muss raus aus der Stadt und darf sich auch hier in der Gegend nicht länger rumdrücken. Vielleicht hast du eine Idee, wie man das bewerkstelligen kann. Überleg es dir, es soll nicht dein Schaden sein. – Und zu keinem ein Wort, dass ich mich darauf verlassen kann, Gottfried“, mahnt Neuhaus eindringlich.
„Das versteht sich doch von selbst, Ihr habt mein Wort, Herr Neuhaus! Das Lumpenpack einzukassieren, ist keine große Sache. Da wüsst ich schon jemand, der so etwas aus Profession betreibt. Der Bettelvogt, Meister Knut, ist ein alter Spezi von mir. Gegen einen guten Batzen hat er das mit seinen Bütteln schnell erledigt. Wenn Ihr wollt, kann ich nachher noch mit ihm reden, ich muss sowieso noch in die Stadt sammeln gehen. Heute ist Donnerstag, da muss ich die westlichen Stadtbezirke abklappern, und der Bettelmeister hat seine Wohnstatt an der Westmauer bei der Mainzerpfort, das liegt genau auf meinem Weg“, schlägt der Schellenknecht vor.
„Das hört sich doch vernünftig an! Mir kommt da noch eine Idee: Der Bettelvogt setzt doch besonders renitente Kunden gern in die Gefängnistürme, um sie dort ein Weilchen schmoren zu lassen. So etwas könnte er doch mit unseren Freunden auch machen. Sie einkassieren, eine Zeit im Loch schmoren lassen und sie dann mit Zeter und Mordio aus der Stadt treiben, dann wären wir das Pack endlich los!“, wirft Neuhaus ein. „Also gut, Gottfried. Du gehst gleich in die Stadt und suchst deinen Kameraden auf. Vorher überbringst du mir aber noch die beiden Briefe. Das ist wichtig.“ Neuhaus erhebt sich und nimmt die Dokumente vom Schreibpult.
„Den hier trägst du ins Rathaus und händigst ihn dem Ratsherrn Kaulbach persönlich aus. Den anderen bringst du in die Saalgasse drei zu
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