Die Siechenmagd
Wir würden ja vorschlagen zu Erntedank. Da ist meistens schönes Herbstwetter und es ist nicht mehr so heiß. Was meinst du, Friedel? Und lass in Zukunft den ,Oheim’ stecken, für dich sind wir jetzt der Vadder!“, spricht der Abdecker gutgelaunt zu seinem Schwiegersohn in spe und schlägt ihm dabei gönnerhaft auf die Schulter.
„Da habt ihr aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn den werd ich bestimmt net heiraten! Lieber ersäuf ich mich! – Und außerdem gehört mein Herz schon einem anderen!“, meldet sich mit einem Mal Mäu zu Wort, die mit ihrer vor Wut bebenden Stimme die allgemeine Fröhlichkeit erstarren lässt.
Übergangslos verpasst ihr der Vater daraufhin eine Maulschelle.
„So ein widerspenstiges Weibsstück und hat nur Flausen im Kopf! Es wird höchste Zeit, dass sie ihren Meister findet, der ihr die Spinnereien gehörig austreibt. Aber mit der richtigen Züchtigung wird sie sich ein guter Ehemann schon gefügig machen, davon sind wir überzeugt“, wendet sich Edu Zustimmung heischend an das Frettchen.
„Das kriegen wir schon hin! Da hab ich überhaupt keinen Bammel vor, im Gegenteil, das macht mir Spaß! Das ist wie einem übermütigen, jungen Hund den Willen zu brechen. Erst dann kannst du ihn dir erziehen und er macht dann alles, was du ihm befiehlst, so sehr fürchtet er dich. – Ich weiß, wovon ich spreche, Vadder. Daheim in Idstein richt ich alle unsere Hofhunde ab. Da brauch ich nur mal bös zu gucken und da spuren die schon. Na, und da werd ich doch mit so einer kleinen Katz auch noch fertig werden, das wär ja gelacht! Die wird an keinem anderen Rahmtöpfchen mehr naschen, glaub mir!“, versichert das Frettchen und grinst tückisch.
„Wir sehen schon, Friedel, du bist ein Schwiegersohn nach unserem Geschmack! Das Weib ist einzig dazu da, dem Manne zu gehorchen und ihm Kinder zu gebären. ,Der Mann ist des Weibes Haupt’ * , das hat unser Herrgott schon in der Bibel so bestimmt. Und außerdem sind wir froh, bald wieder einen Sohn auf dem Hof zu haben, der tüchtig ist und unser Handwerk versteht. Mit den Weibern ist das ja doch nicht so weit her, wenn es um Hilfe bei der Arbeit geht. Haben sich beide als Siechenmägde auf dem Gutleuthof verdingt. Bringt zwar gutes Geld ein, aber hier fehlt es dann hinten und vorne und vieles bleibt liegen. Und wir kriegen ja auch schon langsam morsche Knochen vom vielen Schuften“, beklagt sich der Abdecker.
„Ich kann Euch bald hier zur Hand gehen, Vadder. Schon morgen, wenn Ihr wollt. Dann bin ich auch näher bei meiner Braut und wir können uns dabei ein bisschen besser kennen lernen. Ein Anliegen aber hätt ich noch: Ich will es nicht haben, dass mein Eheweib als Magd für einen anderen Herrn arbeitet. Mir alleine soll sie dienen, und unseren Haushalt ganz zu meiner Zufriedenheit zu führen, wird genug Arbeit sein, denn Pfusch und Schlendrian kann ich auf den Tod nicht ausstehen! Nehmt es mir nicht übel, Vadder, dass ich Euch das sage. Solange wir noch nicht verheiratet sind, mag sie sich in Gottes Namen einen Batzen dazuverdienen, nach unserer Heirat aber möchte ich nicht mehr, dass sie woanders in Stellung ist. Sind wir uns da einig, Vadder?“, richtet sich das Frettchen an Mäus Vater.
„Wir sehen, Schwiegersohn, du hast Rückgrat! Glaub nur nicht, uns würde es passen, dass die Anna den Siechen um den Bart geht. Aber die Taler, die sie nach Hause bringt, mag ich nicht von der Hand weisen. Du aber kannst es halten, wie du willst, denn nach eurer Heirat hast du alleine das Sagen über dein Eheweib. Da wollen wir uns ganz raushalten, Frieder. Was dein Angebot anbetrifft, uns bei der Arbeit auf dem Hof zu helfen, da fällt uns schon was ein. Was hältst du davon, wenn du übermorgen herkommst? Am Abend stärken wir uns und halten einen Plausch und in der Nacht machen wir in Frankfurt eine ,Goldfuhre’ * . Dann kannst du auch schon ein bisschen die Frankfurter Stadtbezirke und unsere vorgeschriebenen Strecken kennen lernen“, schlägt der Abdecker vor. „So, mein Guter, fürs Erste haben wir ja jetzt alles geklärt. Lass uns noch einen Schoppen trinken und dann machst du dich heim nach Idstein.“
Mäu hat zu allem nichts mehr gesagt und sitzt schweigend und in sich gekehrt am Tisch. Später erhebt sie sich, um ihrer Arbeit nachzugehen. Keiner beachtet sie mehr, als sie sich am Fenster niederlässt und die Wäsche von Neuhaus flickt. Sie hat sich vorgenommen, ruhig zu bleiben und sich zu keinerlei Äußerungen oder
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