Die Siechenmagd
ist. Da dürft ihr den ganzen Tag Steine tragen, bis ihr am Abend zusammenbrecht. Dann habt ihr euch zum ersten Mal euer Fressen verdient, ihr Strauchdiebe!“, brüllt die Knute ihnen nach, während seine Schergen sie abtransportieren.
Als kaum noch Bettler in den Gassen zu sehen sind, erklärt der Bettelvogt die Razzia für beendet. Insgesamt vierzehn illegale Bettler konnten überführt werden.
„Immer noch viel zu wenig, aber lassen wir es für heute mal genug sein. Gehen wir auf einen Schoppen in den „Grünen Baum“, du auch, Turmkauz, ich lad euch alle ein“, krächzt der Sterzermeister mit vom vielen Brüllen heiser gewordener Stimme.
Es ist schon späte Nacht, als sich Gottfried und der Bettelvogt schließlich von der feucht-fröhlichen Runde im „Grünen Baum“ zum Gutleuthof aufmachen. Die beiden grobschlächtigen Männer sind erheblich angetrunken und geraten bei ihrer Nachtwanderung über die schlaglöchrigen Feldwege immer wieder gehörig ins Straucheln, was sie mit blökendem Gelächter quittieren. Als sie in die Nähe des Leprosoriums kommen, ermahnt Gottfried seinen Kumpan, leise zu sein. Der gesamte Hof liegt im Dunkeln, nur hinter den Zimmerfenstern von Ulrich Neuhaus flackert noch Licht. Neuhaus sitzt in seinem Lehnstuhl und begrüßt die eintretenden Männer. Er weist Gottfried an, allen einen Becher Wein einzuschenken und fordert sie auf, Platz zu nehmen. Der Schellenknecht entschuldigt sich bei Neuhaus für ihr spätes Erscheinen und berichtet von der Bettlerrazzia.
„Na, dann seid Ihr ja gut in Übung, Meister Knut, für unser Vorhaben, über das ich nun mit Euch sprechen möchte“, hebt der ehemalige Patrizier an, den standesmäßig verachteten Bettelvogt dabei so höflich anredend, als hätte er eine respektable Amtsperson vor sich. Der sonst eher dreist und polternd auftretende Knut wirkt in der Gesellschaft des Aussätzigen ungewohnt beklommen. Nachdem Neuhaus ihm leutselig zugeprostet hat, räuspert sich der Sterzermeister verlegen und erhebt zögerlich seinen Trinkbecher.
„Ihr könnt unbesorgt davon trinken, Bettelmeister. Ich bin mit dem Wein nicht in Berührung gekommen und die Trinkgefäße sind gut gesäubert“, beruhigt ihn der Kranke, als hätte er die Gedanken des Bettelvogts gelesen.
„Bei unserem Bruder Ulrich brauchst du dich vor Ansteckung nicht zu fürchten, Knut. Guck dich nur mal um: Hier ist alles blitzsauber. Und was mich anbetrifft, weißt du genau, dass ich schon mein halbes Leben hier bei den Aussätzigen wohne und ich bin immer noch kerngesund! So starke Kerle wie wir werden auch nicht so leicht krank!“, setzt Gottfried an den Freund gerichtet hinzu.
„Nobel habt Ihr es hier, hätt ich gar nicht gedacht, dass es die Feldsiechen bei sich so bequem haben – nichts für ungut, Herr Neuhaus“, entgegnet der Bettelvogt höflich und erhebt nun ebenfalls seinen Becher zum Zuprosten. Nachdem die Männer getrunken haben, beginnt Neuhaus, den Bettelvogt über sein Anliegen zu informieren. Er erzählt ihm von Mäus fahrenden Freunden und erklärt kurz und knapp, worauf es ihm ankommt. Für die Verhaftung und Vertreibung der Bande bietet Neuhaus dem Bettelvogt insgesamt 20 Gulden an.
„Die Ergreifung der Bagage ist das Geringste für uns, nur die Festsetzung im Turm wird schwierig. Die Wärter werden bestimmt wieder bockig sein und rummaulen, weil es bei ihnen schon so voll ist. Ich werd sie schmieren müssen, damit sie einwilligen. Dann wollt Ihr, dass ich die Schlawiner nach ihrem Einsitzen aus der Stadt jage – und sie sollen ja auch nicht mehr wiederkommen. Dazu muss ich die Torwächter und Stadtbüttel einweihen, und das kostet auch noch mal was. Meinen eigenen Leuten muss ich auch was geben, denn ich kann die sieben Hungerleider ja schließlich nicht alleine dingfest machen. Ihr seht also, Herr Rat, mit 20 Gulden komm ich dabei nicht so ganz hin“, entgegnet der Bettelvogt bärbeißig.
„Ich bin der Meinung, dass Ihr noch nie so fürstlich entlohnt worden seid in Eurem Gewerbe, Sterzermeister. Aber ich muss mich auf Euch verlassen können, auch auf Eure Verschwiegenheit und deswegen mache ich Euch folgenden Vorschlag: Am morgigen Tag, wenn Ihr die Bande im Gefangenenturm eingeliefert habt, lass ich Euch durch Gottfried 20 Gulden aushändigen. Ihr instruiert mir die Wärter, dass es den Lumpenhunden im Loch auch nicht zu wohl wird. Sie sollen richtig schön mürbe gekocht werden da drinnen, so, dass man ihnen nach ihrer Entlassung nicht mehr
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