Die Siechenmagd
groß Fersengeld geben muss, damit sie aus der Gegend verschwinden. Und wenn das Gelichter endgültig fortgezogen ist, bekommt Ihr von mir zum Abschluss noch einmal 10 Gulden ausgezahlt. Das, Sterzermeister, müsste Euch doch wahrlich Genüge tun“, erwidert Neuhaus leicht ungehalten. Der Bettelvogt gibt sich zunächst noch den Anschein des Zögerns, willigt aber bald in das für ihn äußerst lukrative Angebot ein.
„Also gut, morgen in aller Früh, wenn die Bagage noch am Pennen ist, machen wir uns zu den Abortbuden unten am Main und erledigen unsere Arbeit, wie wir es besprochen haben, Herr Neuhaus“, stimmt er zu. „Schön, dann sind wir uns ja einig geworden. Dann lasst uns zum Abschluss noch auf gutes Gelingen anstoßen und dann schlafen gehen“, schlägt Neuhaus vor, während der Klingelmann seiner Anordnung Folge leistet und die Becher füllt.
8. Fahrende muss man ziehen lassen…
Mäu atmet auf, als sich ihr Vater gemeinsam mit dem Frettchen endlich auf den Weg macht. Die Dämmerung ist hereingebrochen und die beiden fahren mit einem großen Fasskarren hinter dem Eselsgespann in die Stadt zum Kloakenreinigen. Es wird schon bis Mitternacht dauern, bis das große Holzfass auf dem Wagen voll ist, und anschließend muss es noch entsorgt werden. Zu diesem Zweck werden sie Gruben auf den Feldern nahe des Abdeckergehöfts ausheben, was auch noch mal Zeit in Anspruch nimmt. Außerdem müssen beim Latrinenfegen immer reichlich Umwege gefahren werden, denn die von der Stadtobrigkeit festgelegte Transportroute schreibt vor, dass das volle, stinkende Fass nicht durch die besseren Wohnbezirke kutschiert werden darf, um dadurch eine Geruchsbelästigung der Anwohner zu vermeiden, es sei denn, die heimlichen Gemächer der Vornehmen müssen gereinigt werden, wodurch sich der Gestank dann eben nicht verhindern lässt.
„Scheiße stinkt halt überall“, pflegt der Abdecker bei diesen Gelegenheiten grimmig zu erwidern, wenn es wieder einmal zu Beschwerden der feinen Herrschaften kommt. Ansonsten ist der Schundmummel über die Aufträge der Privetreinigung hoch erfreut, wird diese Arbeit doch von allen seinen Diensten am besten bezahlt. Pro Abortausputzung erhält er von der Stadt zwischen sechs und neun Mark. Deswegen war Edu auch den ganzen Nachmittag in ausgesprochen guter Laune. Derbe Scherze wechselten sich mit grölendem Gelächter ab, in das der Schwiegersohn in spe bereitwillig einstimmte. Etliche Krüge Bier hatten sie geleert und das Frettchen hatte die sich sträubende Mäu kurzerhand geschnappt und war übermütig mit ihr über den Hof getanzt. Auch sonst hatte er keine Gelegenheit ausgelassen, sich ihr plump zu nähern.
Als sie fort sind, geht Mäu an den Brunnen und wäscht sich gründlich das Gesicht, spült dabei auch mehrfach ihren Mund aus.
Endlich ist er weg, die verdammte Pestbeule, und vor dem Morgengrauen werden sie auch kaum zurück sein!, denkt sie erleichtert und spuckt dabei das Brunnenwasser angewidert auf die Wiese. Naja, waren wohl doch nur leere Versprechungen vom Neuhaus, dass er mit dem Alten reden wollt …
Es ist ein angenehmer, milder Herbstabend, die ersten Sterne sind am wolkenlosen Himmel zu sehen. Mäu denkt an den Fuchs und spürt dabei eine wilde Sehnsucht in sich aufsteigen. Ich muss hier raus, so schnell es geht!, schießt es ihr durch den Kopf und sie beginnt, angespannt wie ein Raubtier vor dem Sprung, die Umgebung zu sondieren, als die Mutter nach draußen kommt und sich zielstrebig dem Brunnen nähert, so, als hätte sie soeben Mäus Absichten erraten.
„Lass uns reingehen und nachtessen. Ich mach uns ein paar Apfelpfannkuchen und nachher gibt’s noch was zu süffeln, denn der Knobloch hat mir heute einen Krug Honigwein mitgegeben und den hab ich unten in der Speisekammer versteckt, damit die Mannsbilder sich nicht noch dran vergreifen“, erklärt Anna verschmitzt und beginnt damit, nacheinander die hölzernen Fensterläden rings um die Hütte von außen zu verschließen, indem sie Eisenstäbe durch die aufgenagelten Ösen steckt, so dass sich die Läden von innen nicht öffnen lassen – eine der zahlreichen Gängelungsmaßnahmen, die sich die Eltern seit Mäus nächtlicher Abwesenheit ausgedacht haben. Mäu kocht innerlich vor aufgestauter Wut, ist aber bemüht, diese nicht zu zeigen, denn ihr ist da plötzlich eine Idee gekommen. So bleibt sie manierlich, geht hinter der Mutter her und erzählt aus dem Stegreif von dem wohlschmeckenden braunen
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