Die Siechenmagd
Ungelegenheiten machen. Viele der vitalen Bettler kennen diese Prozedur hinlänglich und einen oder mehrere Tage im Turm, kann kaum noch einen von ihnen schrecken. Der Bettelvogt selber erkennt zwar die Vergeblichkeit seiner Windmühlenkämpfe, aber das macht ihn nur noch wütender und starrsinniger. Manchen besonders frechen Schelm nimmt er ordentlich in seinen Schwitzkasten und knufft ihn grün und blau. In einer solchen Stimmung ist er auch jetzt und man sieht ihm schon von weitem an, dass mit ihm heute nicht gut Kirschen essen ist. Das bemerkt auch der Schellenknecht. Trotzdem richtet er vorsichtig das Wort an die Knute und unterbreitet ihm das Ansinnen von Ulrich Neuhaus, ihn wegen einer Unterredung auf dem Gutleuthof aufzusuchen.
„Das kann er sich heute aus dem Kopf schlagen, dein feiner Siecher. Ich kann jetzt nicht weg, muss bei meinen Leuten bleiben, sonst gehn uns hier wieder etliche untaugliche Schelme durch die Lappen. – Er ist reich und zahlt gut, sagst du? Dann richt ihm aus, ich komm gleich morgen früh zu ihm auf den Gutleuthof. Er soll sich aber von mir fern halten, denn ich will mir nicht noch den Aussatz fangen. So, Klingelmann, nichts für Ungut, aber ich kann jetzt nicht weiter mit dir disputieren. Schau dir doch die Bagage an, die hier zusammenströmt, wie die Geier um das Aas! – Oder leg mit Hand an, einen starken Kerl wie dich können wir hier gut gebrauchen“, schlägt Meister Knut schließlich vor.
„Mich juckt es ja schon in den Fingern, diesen staubigen Brüdern Mores zu lehren, du kennst mich ja, Knut, ich geh doch keinem Handel aus dem Weg. Und wenn du nachher mitkommst, bin ich dabei. – Was soll ich aber solange mit der Büchse und dem vollen Almosensack machen?“, fragt Gottfried zögernd.
„Abgemacht, Gottfried! Deinen Kram kann der Turmkauz oben bei sich einschließen“, schlägt der Bettelvogt vor und wendet sich an den städtischen Nachtwächter, der mit seinen Hunden ebenfalls bei der Gruppe der Bettelpolizei steht. Der griesgrämige alte Mann willigt sofort ein. Seinen alten Verbündeten im ewigen Kampf gegen das Lumpengesindel in der Stadt will er nicht gerne etwas abschlagen und er trägt Gottfrieds Sachen eilig in seinen Wohnturm, der ganz in der Nähe liegt, denn die Bettlerrazzia will er nicht versäumen, gerne ist er dabei und hat schon so manchen verzweifelten Wicht mit seinen bissigen Wolfshunden gewaltig in die Enge getrieben. Als der Türmer wieder zurückgekehrt ist, sammelt der Bettelvogt seine Leute um sich und gibt letzte Anweisungen. Zu Gottfrieds Erstaunen befinden sich unter der Bettelpolizei auch zwei staubige Brüder. Sie reden mit dem Sterzermeister und deuten dabei gezielt in die Menge. Diese altbekannten Bettler dienen dem Bettelvogt als Spitzel. Gegen ein kleines Zubrot melden sie ihm die vitalen Bettler. Das funktioniert recht gut, denn inzwischen herrscht unter dem Bettelvolk ein erbitterter Konkurrenzkampf um die besten Bettelplätze in der Stadt, die gegenüber fremden Eindringlingen vehement verteidigt werden. Unmittelbar nach dem Hinweis stürzen sich einige Büttel auf die solcherart Denunzierten in der Bettlerschar. Sie zerren die verängstigten Gestalten grob zu dem Bettelvogt, der ihnen sogleich gnadenlos die Lumpen vom Körper reißt, um Leibesvisitationen vorzunehmen, denn die betreffenden Personen wurden zuvor von den Spitzeln bezichtigt, ihre Gebrechen und Krankheiten künstlich vorzutäuschen. Die Aktion erweist sich als erfolgreich, vier Personen können entlarvt werden, unter ihnen befindet sich auch eine ausgezehrte junge Frau, die sich ein Kissen auf den Bauch gebunden hat, um eine Schwangerschaft zu simulieren. Die ergriffenen Leute sind alle in elendem Zustand, wirken ausgehungert und verwahrlost, einige flehen beim Sterzermeister um Gnade. Doch dieser bleibt hart und ordnet an, die armen Teufel umgehend zum Gefängnisturm zu schaffen. Die Bettlerhatz geht weiter, auch Gottfried kann einen jungen, vital wirkenden Bettler dingfest machen. Der Bettelvogt selber kann drei betrügerische Bettler festsetzen, die er schon wiederholt verhaftet hat. Während der Verhaftungsaktion malträtiert er sie so brutal, dass sie hinterher mehr tot als lebendig sind und wie nasse Sandsäcke durch die Gassen geschleift werden müssen.
„Ihr faulen Buben, euch werd ich’s zeigen! Diesmal lass ich euch nicht wieder im Turm Logis nehmen und auf der Bärenhaut liegen! Morgen geht’s ab in den Steinbruch, da könnt ihr mal sehen, was Arbeit
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