Die Siechenmagd
Bauer ärgerlich, was die anderen nicht davon abhält, ihr eindeutiges Interesse gegenüber Mäu und dem Inhalt ihres Rucksacks zu bekunden.
Schnell hat sie den Tornister geöffnet und holt verschiedene Waren heraus. Im Nu ist sie umringt von den Kindern und den beiden Frauen, die alles anfassen und begutachten wollen. Mäu, die bemerkt, was es ihnen für eine Freude bereitet, lässt sie einfach gewähren. Die alte Frau lässt einen der Rosenkränze durch ihre knotigen, geröteten Finger gleiten, die verraten, dass sie ein Leben lang hart gearbeitet hat, und berührt liebevoll das Holzkreuz.
„Kostet einen Groschen“, erklärt ihr Mäu.
Die Bäuerin liebäugelt mit den bunten Bändern und Spitzen, legt sie aber schnell wieder beiseite, um etwas anderes in Augenschein zu nehmen. Währenddessen spielen die Kinder mit den Heiligenfiguren wie mit Puppen, haben auch die Krippe mit dem Jesuskind entdeckt und sind am Jauchzen. So geht es eine ganze Weile und alle, außer dem Bauer, der immer noch griesgrämig am Tisch sitzt und Rüben schneidet, sind von den vielen kleinen Dingen in Bann gezogen.
„Jetzt reicht’s aber! Nachher gibt’s wieder nur Gegreine, weil wir nichts davon kaufen können“, schaltet sich plötzlich der Hausherr ein.
„Ach, Ottfried, lass uns doch eine Kleinigkeit nehmen! Vielleicht einen Rosenkranz für die Mutter und ein Holzpferdchen für die Kleinen. Es ist doch bald Ostern! Wir schinden uns das ganze Jahr, damit wir die Pacht und die Steuern zahlen können und haben nie mal einen Tag Erholung! Gönn uns doch das bisschen Spaß!“, entgegnet die Hausfrau bittend.
„Und mit was sollen wir die Jungfer bezahlen? Wir haben keinen Pfennig Geld im Haus!“
„Vielleicht können wir ja dem Mädchen für die paar Sachen ein Stück Mettwurst geben“, schlägt die Bäuerin vor.
„Die Würste, die noch in der Kammer hängen, sind alle für den Bischof bestimmt. Die holt morgen schon der Büttel ab“, antwortet der Bauer.
„Der Büttel holt unseren Speck und unsere Würste. Wie immer! Und wir dürfen dann das Brot wieder nur mit Zwiebeln essen. Komm, eine Wurst mehr oder weniger fällt doch nicht auf!“, insistiert die Frau.
„Eine Wurst weniger, heißt vielleicht ein Huhn mehr. Du weißt doch selber, wie der Peukert ist!“, entgegnet der Bauer erbittert.
„Und der Fürstbischof wird immer fetter, bis er auf keine Kanzel mehr passt!“, schimpft die Bäuerin aufgebracht.
„Weib, hüte deine Zunge und versündige dich nicht! Den Kirchenzehnten schulden wir Bauern unserem Herrgott und dürfen davon nicht einfach was für so einen Tand abzwacken.“
Doch die Frau bleibt beharrlich und gibt keineswegs klein bei:
„Ist ja schon gut, Ottfried! Aber ich hab in der Kammer noch einen Tiegel mit Schmalz stehen. Jungfer, nimmst du sowas auch?“ fragt sie Mäu.
Mäu denkt kurz nach und kommt schnell zu einer Entscheidung:
„Für ein Holzpferdchen und den Rosenkranz ist das genug“, antwortet sie und übergibt beides der Bäuerin. Diese läuft triumphierend zur Speisekammer und holt das Schmalztöpfchen. Als sie es Mäu in die Hand drückt, lächelt sie ihr verschwörerisch zu.
„Ach, das ist ja doch mehr, als ich gedacht habe. Da geb ich Euch noch ein Stück Spitze für Eure Sonntagshaube dazu und wir sind uns einig!“, beschließt Mäu spontan und trennt sorgsam etwas von der weißen Spitzenborte ab.
Die Bauersfrau strahlt, als sie Mäu anschließend zur Tür bringt.
„Gottes Segen, Jungfer!“, ruft sie der Entschwindenden nach.
Es beginnt schon zu dämmern, als sie in Ilbenstadt ankommen. Feine Hagelkörner wirbeln durch die Luft und ein eisiger Wind fegt über das weite, tiefverschneite Feld.
Nachdem sie unterwegs sämtliche Dörfer und Ansiedlungen abgegangen sind und auch leidlich gut verkauft haben, hat Franz schließlich vorgeschlagen, im nahe gelegenen Ilbenstadt Nachtquartier zu nehmen. Das treffe sich insofern besonders gut, als es dort ein Kloster gebe, wo sie umsonst übernachten könnten. *
Alle sind froh, endlich vor der Klosterpforte des Prämonstratenser-Klosters zu stehen und Franz betätigt die Türglocke.
Nach längerer Wartezeit wird die kleine Luke des Portals aufgeklappt und ein junger Mönch fragt nach ihrem Begehren.
„Wir sind arme Landgänger aus dem Vogelsberg und erbitten einen Schlafplatz für uns und die Kinder“, entgegnet der Hausierer.
Von innen wird das Schloss betätigt und eine schmale Tür in der Pforte öffnet sich, durch die
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