Die Siechenmagd
sich hauptsächlich um Güter des täglichen Lebensbedarfs wie Zunder zum Feuermachen, heilsame Wurzeln und Wundtinkturen, Haarpuder, Bänder, Spitzen und Besen. Aber auch Rosenkränze und verschiedene aus Holz geschnitzte Heiligenfiguren und Tiere befinden sich im Innern des großen Tornisters. Das meiste davon ist billiger Tand und kostet ein paar Heller, wenn es hoch kommt einen Groschen.
„Je weiter wir aufs platte Land kommen, desto besser verkaufen wir das Zeug. Zu nah bei einer Stadt geht kaum was, weil die Leute sich da selber alles holen können, was sie brauchen. Deswegen sind wir auch vorhin in Vilbel noch nicht auf Tour gegangen. Das ist einfach zu dicht bei Frankfurt und die Leute sind mit allem gut versorgt. Unsere Kundschaft sind die Dörfler am Arsch der Welt. Die sind froh, wenn mal einer ankommt, der ihnen was verkauft. Vorausgesetzt, die haben Geld, was auch noch lange nicht sicher ist, denn viele von denen nagen genauso am Hungertuch wie wir“, führt der Hausierer aus.
„Manche von den Bäuerchen, die kein Geld haben, geben uns auch mal Milch, ein Stück Handkäs oder eine Speckschwarte mit. Darüber sind wir auch nicht böse. Meistens werden wir uns mit denen schon einig. Einige Leute kennt man auch schon, die fragen einem dann, was es so Neues gibt in der Welt, denn die Landeier kriegen ja hier draußen kaum was mit“, erläutert Theres.
„Die meisten Leut in den kleinen Ortschaften sind arme Gautzer wie mir auch. Aber hier in der Wetterau gibt’s auch ein paar reiche Bauern und manche von denen können ganz schön grob werden, wenn so Hungerleider bei ihnen anklopfen und fackeln auch nicht lang. Wenn du dich dann nicht schnell genug davon machst, hetzen sie die Hunde auf dich, und dann guckst du ganz schön blöd aus der Wäsch! Haben wir alles schon erlebt, da muss man Acht geben. Zum Glück kennen wir uns inzwischen in der Gegend ganz gut aus und wissen, wo man hingehen kann und wo nicht. Also, wir schwärmen jetzt aus und treffen uns später am Brünnchen. Hier unten gibt’s grad mal zehn Häuser. Die kann man alle abklappern. Geh nur nicht da hinten bei der Nidda in das große Steinhaus! Das gehört dem Peukert, der ist der Büttel des Friedberger Grundherrn, und mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Hier, Maria, hast du ein Stück Kreide. Wenn du wo rauskommst, machst du ein Kreuz an die Tür. Das machen wir alle so, damit wir nicht doppelt gehen. Also, viel Glück! So, ihr Geister, auf geht’s“, animiert Franz zu guter Letzt noch die beiden Kinder und die kleine Gruppe stiebt auseinander.
Mäu, der es richtig bange geworden ist, als Franz sie eben vor dem Büttel gewarnt hat, ist ziemlich unschlüssig, wohin sie sich wenden soll, um bloß nicht an die falschen Leute zu geraten.
Schließlich steuert sie ein kleines Gehöft an, das als einziges Anwesen links der Landstraße auf einem Hügel liegt. Im Mittelpunkt des eingeschneiten Hofes befindet sich ein großer Misthaufen, der in der Kälte vor sich hindampft. Es riecht nach Kühen und nach Schweinen, ein paar Hühner scharren im Dung nach Verwertbarem. Als Mäu sich dem Wohnhaus nähert und an die verwitterte Holztür klopft, bellt der große Wolfshund an der Kette immer wütender. Eine junge Bäuerin öffnet die Tür und blickt Mäu misstrauisch entgegen.
„Ich hab Zunder und Besen, allerlei Spitzen und Bänder, auch Gesundheitstropfen und manches mehr, was Ihr brauchen könnt. Darf ich reinkommen und es Euch zeigen?“, fragt Mäu verschüchtert.
Die Frau macht ein mürrisches Gesicht und wirkt eher abweisend. Dann scheint sie es sich doch anders überlegt zu haben und fordert Mäu auf, hereinzukommen.
„Wir sind arme Leute und haben nicht viel, können uns auch kaum was leisten. Aber angucken kostet ja nix, dann zeig halt mal her, was du dabei hast.“
Mäu betritt die kleine, ebenerdige Stube. Auf dem festgestampften Lehmboden liegen ein paar Strohsäcke, auf denen eine Schar kleiner Kinder kauert. An einem Holztisch sitzt eine zahnlose alte Frau und schält Kartoffeln, ihr gegenüber schneidet ein rotgesichtiger Mann in mittleren Jahren Zuckerrüben in einen großen Bottich. Sie alle starren die Eintretende mit großen Augen an.
„Das ist eine Landgängerin, die will uns grad mal was zeigen“, sagt die Frau an den Mann gewandt.
„Ei, Irmgard, warum hast du die dann reingelassen? Mir können der nix abkaufen! Bei uns kriegen die Sau ja mehr zu fressen, als unsere Kinder! Hör mir doch auf!“, schnaubt der
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