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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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zu stellen. Was hattest du denn für ein Pech?“, bohrt Theres weiter.
    Mäu fühlt sich immer unwohler, und als wäre diese Ausfragerei an sich nicht schon peinvoll genug, muss zu allem Übel auch noch die dicke Wirtin andauernd um sie herumschleichen, damit ihr bloß kein Wort entgeht! Ich muss denen jetzt irgendwas erzählen, auf das sie sich draufstürzen können, überlegt sie.
    „Ach, meine Eltern wollten mich mit einem verheiraten, den ich nicht ausstehen kann und haben mich mit meinem Liebsten auseinandergebracht. Jetzt hab ich mich auf und davon gemacht, weil ich zu ihm will. Wir haben uns schon ein paar Monate nicht mehr gesehen“, entgegnet Mäu mit tonloser Stimme, offensichtlich um Fassung ringend.
    „Hast Sehnsucht nach ihm, gell?“, fragt die Hausiererin nun in wärmerem Tonfall und schaut Mäu dabei verständnisinnig an.
    „Und wie!“, ist Mäus geflüsterte Antwort. Vor lauter Bedrängnis rollen ihr währenddessen ein paar Tränen über die Wangen und fallen auf das Stück Brot, das sie gerade in den Händen hält.
    „Heul nur ruhig! Mir sind doch keine Hackklötzcher! Ich hab auch schon oft genug geflennt – wegen dem hier“, erwidert Theres und blickt dabei vielsagend zu Franz.
    Mäu kann nun nicht mehr an sich halten, sie birgt ihr Gesicht in den Händen und lässt ihren Tränen freien Lauf, was die Glaubwürdigkeit ihrer Geschichte noch gewaltig verstärkt.
    „Oha! Gegen Herzleid ist kein Kraut gewachsen, des hat schon mei Mutter immer gesagt. Aber trink mal e’ Schöppche heißen Äppelwoi, dann wird’s vielleicht besser!“, schlägt die Wirtin vor, die von der Theke aus alles mitgehört hat. Es herrscht betretenes Schweigen, nur Mäus Schluchzen ist zu vernehmen. Selbst die beiden Kinder blicken bekümmert drein. Nach einer Weile berührt die kleine Else Mäu am Arm und sagt trocken:
    „Die Mamma sagt immer ,Heularsch’ zu mir, wenn ich so viel plärrn tu wie du.“
    Alle müssen über die kindliche Unverfrorenheit lachen, auch über Mäus verquollenes Gesicht huscht unwillkürlich ein Lächeln.
    Sie schnäuzt sich die Nase und bestellt mit belegter Stimme eine Runde heißen Apfelwein.
     
     
    Als sie später an der Nidda entlang weiter in Richtung Friedberg ziehen, ist das Eis zwischen Mäu und Theres endgültig gebrochen, und die beiden Frauen unterhalten sich angeregt miteinander. Franz marschiert nun die meiste Zeit vorneweg und rollt hin und wieder mit den Augen, wenn die Frauengespräche für seinen Geschmack zu vertraulich werden.
    Mäu erfährt, dass ihre Reisegefährtin bereits drei Kinder im Kindbett verloren hat. Seitdem sie Franz geheiratet hat, ist sie jedes Jahr schwanger geworden, weil der nie die Finger von ihr lassen kann. Und wenn sie sich ihm versagt, holt er sich, sehr zum Leidwesen von Theres, schnell eine andere ins Bett. Deswegen wittert sie auch in jeder Frau zunächst die Konkurrentin. Dass sie sich diesbezüglich bei Mäu keine Sorgen zu machen braucht, hat sie inzwischen mit Erleichterung festgestellt, denn Mäu denkt überhaupt nicht daran, Franz schöne Augen zu machen – sie denkt an ganz andere Sachen.
    Mäu hat der Hausiererin ihre ziemlich zusammengestrickte Geschichte erzählt, in welcher sich Wahrheit und Lüge die Hand reichen: Dass ihr Vater immer schon gegen ihren Freund war, der in Frankfurt schließlich wegen unerlaubter Bettelei in Ketten gelegt und aus der Stadt getrieben wurde. Sie äußert ihre Hoffnung, ihn in seiner Heimatstadt Leipzig endlich wiederzusehen, weswegen sie ja nun auch durchgebrannt wäre.
    „Hört mal, ihr zwei Busenfreundinnen, wir sind jetzt gleich in Dortelweil, und da müssen wir unsere erste Runde machen, denn wir wollen ja auch was verdienen, sonst gibt’s morgen wieder nur Tränenbrot zu kauen!“, schaltet sich plötzlich Franz ein. An Mäu gewendet schlägt er vor:
    „Wenn du willst, Maria, kannst du auch mit Klinkenputzen gehen. Das ist nicht schwer, machen sogar schon unsere Kleinen. Musst den Leuten nur von unserem Kram verzählen und sie neugierig machen. Wenn sie dich dann reinlassen und du kannst ihnen was von dem Plunder zeigen, hast du sie meistens schon in der Tasche.“
    „Warum nicht! Musst mir nur erklären, was alles kostet und wo ich hingehen soll“, entgegnet Mäu zögernd.
    „Gut, dann halten wir jetzt mal an und ich zeige dir unsere Sachen.“
    Er schnallt sich den Rucksack vom Rücken, stellt ihn ab und öffnet ihn.
    Dicht an dicht sind die Waren aufeinandergeschichtet. Es handelt

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