Die Siechenmagd
können sich doch nur Leute von Stand leisten! Messekaufleute oder Adelsherren. Und die besser Gestellten unter den Fahrenden haben ihre Karren und Planwagen, die von Eseln oder Maultieren gezogen werden. Die sind wirklich zu beneiden! Obwohl du bei so einem Mistwetter mit keinem Wagen durchkommst. Aber über so was brauchen wir uns keinen Kopf zu zerbrechen. Wir sind ja schon froh, wenn wir soviel verkaufen, dass wir abends was zwischen die Zähne kriegen!“
Nach anderthalb Stunden erreichen sie die Burg Vilbel, um die sich eine kleine Ortschaft erstreckt. Mäus Schultern schmerzen von der schweren Last und ihre Zehen und Finger sind vor Kälte steifgefroren. Trotzdem behagt ihr der Vorschlag von Franz, in Vilbel eine kurze Rast einzulegen, wenig. Zu nahe ist der Ort noch bei Frankfurt, wo man Neuhaus’ Leiche wahrscheinlich schon entdeckt hat. Aber sie wagt nicht, zu widersprechen und fügt sich schweigsam den Bedürfnissen ihrer Reisegenossen. Sie überqueren eine Brücke und nähern sich den ersten Behausungen. Die schmucken Fachwerkhäuschen und Höfe wirken wie verschlafen, es sind kaum Bewohner zu sehen, die meisten haben sich vor der unwirtlichen Witterung in ihre Häuser verkrochen. Was Mäu sehr entgegenkommt, die die ganze Zeit über gegen ihre panische Angst vor dem Entdecktwerden ankämpfen muss, die sie ja ihren Mitreisenden auf keinen Fall offenbaren darf. Als sie schließlich die kleine Schankwirtschaft „Zur frischen Quelle“ betreten, die am Ortsausgang direkt an der Landstraße liegt, ist es ihr ganz flau im Magen. Hoffentlich geht das gut!, denkt sie angstvoll.
Der kleine Schankraum ist von einem lodernden Kaminfeuer behaglich erwärmt. Hinter der Theke steht eine ältere Matrone, die den Ankömmlingen erwartungsvoll entgegenblickt.
„Grüß dich, Hilde! Gemütlich hast du’s hier drinnen!“, begrüßt Franz die Wirtsfrau.
„Ei, die Vogelsberger sind ja auch mal wieder da! Seid ihr noch am heiligen Karfreitag unterwegs! Kommt, setzt euch ans Feuer und wärmt euch erst mal auf“, fordert die Wirtin die Reisenden auf.
„Bis jetzt seid ihr meine einzigen Gäste. In der Karwoche läuft’s halt nicht so gut, denn es ist ja noch Fastenzeit. Über Ostern wird’s hier drin schon voller werden“, erläutert die Wirtin gesprächig, während ihre kleinen, neugierigen Augen flink hin und her huschen und schließlich bei Mäu hängen bleiben.
„Habt ihr Zuwachs gekriegt?“, fragt sie erstaunt.
„Ja, das is’ es Maria aus Frankfurt. Das will zu ihrer Verwandtschaft nach Leipzig und da geht’s halt ein Stückche mit uns“, antwortet Franz.
Mäu nickt der Wirtsfrau grüßend zu, fühlt sich dabei aber mehr als unbehaglich und fürchtet sich vor ihren bohrenden Blicken.
„Was wollt ihr denn essen? Die Kinder haben doch bestimmt Hunger und bei euch wird’s auch net viel anders sein!“, erkundigt sich Hilde geschäftstüchtig. „Heut am Karfreitag hab ich aber nur Milchsuppe, Hafergrütze und Bratheringe da.“
„Ei, bring uns doch am besten ,Kartoffel ganz und haaß’!“ * , flachst der Hausierer. „Ne, jetzt mal im Ernst, wir können uns nicht viel leisten. War ein schlechtes Jahr. Bring uns jedem einen Teller Milchsupp und wir sind zufrieden!“, entgegnet Franz.
Kurze Zeit später löffelt die kleine Tischgesellschaft frohgemut die dampfende Suppe aus tiefen Holztellern. Mäu hat den kleinen Laib Roggenbrot aufgeteilt, den Felicitas ihr eingepackt hat, was noch weiter dazu beigetragen hat, die allgemeine Stimmung, besonders die der Kleinen, zu verbessern, und zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch richtet nun auch Theres das Wort an Mäu:
„Ist doch komisch, dass dich deine Leute so allein rumziehen lassen! Hätt dich dann net jemand von deinen Eltern oder Geschwistern begleiten können nach Leipzig? Wo das doch so weit weg ist, und für ein anständiges Weibsbild ist es ja auch so gefährlich, alleine unterwegs zu sein“, wirft sie ein und mustert Mäu argwöhnisch.
„Das ging halt leider nicht“, antwortet Mäu ausweichend und bemerkt dabei, wie ihr das Herz bis zum Halse schlägt. „Ich hatte viel Pech und deswegen steh ich halt jetzt allein da“, fügt sie gepresst hinzu und spürt einen Kloß im Hals.
„Sei doch nicht so neugierig, Theres, und frag das arme Ding doch nicht so aus“, mischt sich Franz ein.
„Na und! Ich will halt wissen, mit wem ich es zu tun hab. Wir sind ja bestimmt noch ein paar Tage zusammen, da ist es doch mein gutes Recht, ein paar Fragen
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