Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
Vom Netzwerk:
sie hintereinander eintreten, bemüht, mit ihren sperrigen Tornistern nicht hängen zu bleiben.
    Der junge Mönch in seiner braunen, wollenen Tunika entbietet den Eintretenden einen knappen, christlichen Gruß, den diese artig erwidern.
    „Wir haben in unserem Gästehaus aber nur noch zwei Schlafpritschen frei und das auch nur für diese Nacht, denn für morgen erwarten wir eine größere Pilgergruppe“, erklärt der Klosterbruder reserviert.
    „Das ist uns recht, wir müssen morgen in der Früh sowieso weiterziehen. Wenn Ihr uns noch ein paar Decken geben könnt und ein bisschen heiße Milch für die Kinder, sind wir zufrieden“, entgegnet Franz.
    „Ich will aber auch was zu essen, ich hab Hunger!“, jammert Else und verzieht weinerlich das von der Kälte gerötete Gesicht.
    „Ich bringe Euch nachher was“, antwortet der Mönch mit unmutigem Blick auf die Kinder.
    „Dann folgt mir jetzt zum Gottfriedhaus, ich zeige Euch Euer Quartier.“
    Das kleine Gästehaus des Klosters ist direkt an die hohe Klostermauer angebaut und besteht ebenso wie diese komplett aus Natursteinen. Der Mönch geleitet sie durch einen röhrenförmigen, engen Flur und öffnet schließlich eine der Türen. Inzwischen ist es dunkel geworden und man kann kaum noch etwas erkennen. In der zellenartigen Kammer befinden sich zwei schmale Holzpritschen an den Längsseiten, dazwischen steht ein kleiner Tisch mit einem Hocker. An der Wand neben der Fensterluke zeichnet sich ein Holzkreuz ab.
    „Ich hoffe, Ihr habt Eure eigenen Kerzen dabei, sonst müsst Ihr hier im Dunkeln sitzen. Zwei Decken sind da, ich bringe nachher noch eine für die Kinder.“
    Der Mönch wendet sich rasch zum Gehen, man hört das laute Geklapper seiner Holzschuhe durch den Flur hallen. Zuerst entledigen sich die Reisenden ihrer schweren Lasten und sinken sodann erschöpft auf die harten Lager. Theres entnimmt dem kleinen Lederbeutel, den sie am Gürtel befestigt hat, einen Kerzenstummel, sowie Zunder, Feuerstein und ein Schlageisen. Sie legt ein Stückchen von dem Zunder in eine kleine Holzschale. Dann beugt sie sich darüber und versucht mit ihren steifgefrorenen Fingern, Funken auf den Zunder zu schlagen, was ihr auch bald gelingt. Schützend birgt sie ihre Hände darum und bläst konzentriert hinein, bis der Zunder zu klimmen beginnt. Mit einer schnellen Bewegung hält sie nun den Kerzendocht in die Miniaturflamme und hat Erfolg: Die Kerze brennt. Die Hausiererin befestigt sie auf dem Holztellerchen und stellt es auf den Tisch. Die kleine Schlafzelle wird zwar von dem flackernden Licht nur notdürftig erhellt, trotzdem aber verbreitet es eine gewisse Behaglichkeit in dem aufs Kärgste ausgestatteten Kämmerchen. In dem unbeheizten Raum ist es bitterkalt, eisige Zugluft dringt durch die Ritzen der undichten Fensterluke. Theres wickelt die frierenden Kinder in eine der Wolldecken und breitet die andere Decke um sich, Franz und Mäu. Alle Fünf klappern mit den Zähnen, als der Mönch nach einiger Zeit zurückkehrt und eine weitere Decke bringt, die von den Frierenden dankbar entgegengenommen wird.
    „Ihr müsst Euch halt mit Decken gegen den Frost behelfen, denn der einzige Raum, den wir beheizen, ist das Refektorium“, entgegnet der Bruder knapp.
    „Und hier hab ich noch eine Kanne heiße Milch für die Kinder und ein paar Semmeln. Eine gesegnete Nacht“, verabschiedet er sich und verschließt hinter sich die Tür der Schlafkammer.
    Am Morgen des vierten Tages ihrer Reise befinden sie sich bereits mitten im Vogelsberg. Die Nacht verbringen sie in einer schäbigen Herberge bei Schotten, die total überfüllt ist. Die sechs Betten in dem kleinen Übernachtungsraum müssen sich zwölf Erwachsene und sechs Kinder teilen. So bleibt Mäu nichts anderes übrig, als mit Theres und Franz im gleichen Bett zu schlafen, denn die beiden Kinder sind bereits in einem Bett mit zwei Schaustellerkindern aus Braunschweig untergebracht. Das ohnehin schmale Nachtlager ist viel zu eng für drei Personen und man kann sich kaum regen, will man nicht Gefahr laufen, aus dem Bett zu fallen. Außerdem ist die Bettwäsche mehr als schmuddelig, die Decken riechen nach Moder und altem Schweiß und wimmeln vor Flöhen. Am Morgen fühlt sich Mäu wie gerädert und hat ein steifes Kreuz. Als Franz ihr eröffnet, dass sie die letzte Wegetappe bis Herbstein zügig marschieren wollen und keine Ortschaften mehr abklappern werden, ist sie froh darüber, denn je weiter sie in den Vogelsberg vorgedrungen

Weitere Kostenlose Bücher