Die Siedler von Catan.
hinüber. Eine Gestalt war über den Hügelkamm gekommen. Sie war noch zu weit weg, um sie zu erkennen, aber es schien, als bewege sie sich langsam und auf nicht ganz geradem Kurs, so als trage sie eine schwere Last.
Candamir beschirmte die Augen mit der Linken, denn trotz der Wolken blendete das messingfarbene Herbstlicht. »Oh, mächtiger Tyr …«, stieß er plötzlich hervor, ließ die Peitsche achtlos fallen und rannte los, setzte mühelos über das Gatter und lief hügelaufwärts, der Gestalt entgegen.
»Und der Herr wirkte ein Wunder und errettete seinen unwürdigen Knecht«, murmelte der Sachse vor sich hin. »Jedenfalls vorläufig.« Er hob die Peitsche auf, rollte sie zusammen und versteckte sie hinter dem Holzstoß.
Die Gestalt war eine Frau, erkannte er jetzt und zog sich schleunigst wieder an. Candamir hatte sie inzwischen erreicht. Eine Weile standen sie beieinander und schienen zu reden, möglicherweise stritten sie gar. Zwei von Candamirs Pferden, die in der Nähe grasten, hoben die Köpfe und schauten neugierig zu ihnen hinüber. Schließlich nahm Candamir der Frau das Bündel ab. Das Bündel strampelte heftig – ein Kind. Langsam kam die kleine Gruppe zum Hof herunter. Candamir trug das Kind auf dem linken Arm und hatte den rechten um die Schultern der Frau gelegt. Ihr Haar war dunkel, konnte der Sachse jetzt ausmachen. Er war sicher, er hatte sie noch nie gesehen, obwohl es im kommenden Sommer drei Jahre sein würden, dass er bei diesen Wilden hier lebte, und er hatte geglaubt, dass er inzwischen alle Menschen in Elasund und den kleinen Weilern am Fluss kannte. Neugierig sah er seinem Herrn und der Fremden entgegen und öffnete ihnen das Gatter, als sie näher kamen.
Sie gingen an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und er folgte ihnen zum Wohnhaus hinüber. Die Frau war noch keine zwanzig und sehr hübsch, nahm er an, wenn ihr Gesicht nicht so verweint und erschöpfungsbleich war wie gerade jetzt. Außerdem war sie hochschwanger und sah Candamir so ähnlich, dass der Knecht nicht länger rätseln musste, wer sie wohl sei.
Hacon hatte unglücklich in sich zusammengesunken am Langfeuer gesessen. Als die Tür sich öffnete, schaute er auf, und sein bekümmertes Gesicht erstrahlte in einem Lächeln purer Freude. »Asta!« Er sprang auf und lief ihr entgegen. Als er ihr Gesicht sah, blieb er stehen und wiederholte unsicher:
»Asta …«
Sie nahm ihn bei den Händen und erwiderte sein Lächeln.
»Du meine Güte, Hacon … Ich kann kaum noch ›kleiner Brüder‹ zu dir sagen. Du kannst mir ja auf den Kopf spucken!«
»Ich werd mich hüten …«, erwiderte er verlegen.
Candamir setzte das nach wie vor strampelnde Bündel ab.
»Hacon, dies ist unser Neffe, Fulc.«
Der kleine Fulc war vielleicht drei Jahre alt. Argwöhnisch sah er sich in der fremden Umgebung um, und als Hacon ihn hochheben wollte, trat der Kleine ihn vors Schienbein. Mit einem unterdrückten Laut sprang Hacon zurück.
Heide, die alte, fette Magd, die hier schon gekocht hatte, als Candamir noch in den Windeln lag, beobachtete die Szene mit versteinerter Miene, verschränkte die Keulenarme und brummte: »Ganz der Vater, scheint mir.«
Astas Ausdruck verdüsterte sich. Sie fasste ihren Sohn an der Schulter und riss ihn zurück. Er vergrub das Gesicht in ihren Röcken. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich in der Halle aus; für einen Moment schien niemand zu wissen, was er sagen oder tun sollte.
Schließlich fuhr Candamir sich mit der Hand über den kurzen Bart und machte eine vage Geste. »Für alle, die es nicht wissen: Dies ist meine Schwester Asta. Sie war in Elbingdal verheiratet, aber auch dort sind die Turonländer gestern eingefallen und haben ihren Mann getötet. Darum ist sie heimgekommen.«
Ich bin sicher, das ist nicht die ganze Geschichte, dachte der Sachse, und seine Ahnung wurde bestätigt, als Candamir an die Köchin gewandt fortfuhr: »Wir werden Vergangenes ruhen lassen. Was war, ist jetzt ohne Belang. Meine Schwester und ihr Sohn sind in dieser Halle willkommen und werden zuvorkommend und mit Respekt behandelt, hast du mich verstanden, Heide?«
»Oh, aber gewiss doch, Herr.«
»Gut. Ich würde es bedauern, wenn ich dich oder sonst irgendwen vor diesem schweren Winter aus dem Haus weisen müsste.«
Die runzligen Wangen der alten Magd wurden fahl. Sie senkte den Blick und nickte.
Candamir schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er war müde und ratlos. Er hatte nicht die geringste
Weitere Kostenlose Bücher