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Die Siedler von Catan.

Die Siedler von Catan.

Titel: Die Siedler von Catan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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was er erwartet hatte. Mit Wut und Abscheu hatte er gerechnet, nicht mit diesem unverhohlenen Entsetzen. Schlimmer als in der Nacht, als die Turonländer gekommen waren.
    »Candamir … «, begann er unsicher, doch sein Bruder hob die Linke, um ihn zum Schweigen zu bringen, und schlug Gunda beinah gleichzeitig die Rechte ins Gesicht. Sie schrie erschrocken auf, denn damit hatte sie nicht gerechnet – jedenfalls jetzt noch nicht -, und sie taumelte zurück. Er packte ihren Arm, ehe sie fallen konnte, ließ sie aber sogleich wieder los und nahm den Säugling aus dem Tragetuch, ohne sie noch einmal zu berühren. Nils brüllte lauter denn je, die einzige Stimme auf der stillen Wiese. Candamir wandte sich ab und brachte Asta seinen Sohn. »Schaff ihn weg.« Dann ging er zu Olaf zurück.
    »Sechs Schafe?«, fragte er matt.
    Der groß gewachsene Seefahrer nickte ernst. »Ein Widder, zwei Muttertiere, drei Lämmer. Und ich bin gespannt, Candamir. Womit wollt ihr das begleichen? Was besitzt dein Bruder – was besitzt du, um mir die geschuldete Buße für meinen Verlust zu leisten?«
    Candamir wies mit dem Daumen auf Gunda, ohne sie anzuschauen. »Sie.«
    Olaf zog spöttisch die Brauen in die Höhe. »Nein, vielen Dank. So viel ist sie nicht wert. Ich habe genug junges Fleisch, und meine Sklavinnen sind mir ergeben. Ich brauche kein treuloses friesisches Luder. Und ich bin ebenso wenig an einem deiner halbblöden Knechte interessiert, auch nicht an deinem Sachsen. Dafür ist es zu spät.«
    Candamir hatte das Gefühl, seine Eingeweide seien zu einem kleinen, schmerzhaften Knoten geschrumpft. »Du weißt genau, dass ich nichts sonst besitze, um dich zu entschädigen«, zwang er sich zu sagen.
    Olaf lächelte. Es war ein geradezu strahlendes Lächeln, das Hacon überhaupt nicht verstand. »Also dann. Du weißt, was das Gesetz in dem Falle vorschreibt, nicht wahr?«
    Hilfe suchend schaute Candamir sich um. Die Blicke der anderen Männer waren voller Mitgefühl, nirgendwo sah er Häme. Aber ebenso wenig einen Funken Widerstand.
    Er senkte den Kopf. »Ja. Ich kenne das Gesetz. Also tu es, Olaf. Und dann lasst uns das Gesetz ändern. Denn es ist nutzlos und falsch.«
    Olaf hob mahnend den Zeigefinger. »Das Gesetz ist alt, bewährt und gerecht. Freie, wohlhabende Männer zahlen mit Silber oder mit Vieh. Hungerleider wie euresgleichen und Sklaven zahlen mit Blut. Ich denke, ein Dutzend Schläge für jedes verlorene Tier ist angemessen.«
    Candamir fuhr zusammen. Aber er erhob keine Einwände. Es war angemessen. Es gab keine Schafe in diesem Land, darum waren die wenigen, die sie mitgebracht hatten, besonders kostbar. Er sah zu seinem Bruder.
    Grau, fuhr es Hacon durch den Kopf. Sein Gesicht ist grau. Aber Candamirs Miene blieb unbewegt, und seine Stimme war schneidend, als er sagte: »Möge der trutzstarke Thor, der dein Schutzgott ist, deinem feigen Verräterherzen einen Funken seines Mutes leihen. Du wirst ihn brauchen. Bruder.«
    Endlich begriff Hacon, und Furcht legte sich wie ein dunkler Schleier über seine Sinne.
    Olaf brachte ihn an der verwaisten Baustelle seines Hauses vorbei zu einer einsamen Rotbuche, die am Rande der Rodung stehen geblieben war. Alle folgten ihm. Niemand sprach ein Wort. Mit ernsten Mienen gruppierten die Siedler sich um den mächtigen alten Baum.
    Hacons Hände waren immer noch zusammengebunden. Olaf warf den Strick über einen der unteren Äste und zog, bis die Arme des Jungen über dem Kopf ausgestreckt waren. Dann wickelte er das lose Ende mehrfach um den Stamm und sicherte es mit einem festen Knoten. Als das getan war, trat er hinter Hacon, packte dessen Obergewand mit beiden Händen im Nacken und zerrte mit einem kräftigen Ruck. Der morsche Stoff riss anstandslos und
    entblößte Hacons Schultern und Rücken.
    Hacon hatte die Augen zugekniffen und den Mund auf den Oberarm gepresst. Seine Knie schlotterten. Er konnte sich nicht entsinnen, sich je im Leben so gefürchtet, so allein gefühlt zu haben, und er erkannte mit kläglicher Gewissheit, dass es nicht lange dauern würde, bis er sich in die Hosen pinkelte. Er verspürte einen fast unbezähmbaren Drang, um Gnade zu betteln, obwohl er genau wusste, dass es nichts nützen würde. Was ihn letztlich abhielt, war allein die Furcht vor der Verachtung seines Bruders.
    Nichts geschah. Hätte er gewagt, die Augen zu öffnen und über die Schulter zu schauen, hätte er gesehen, dass Olaf seinen ältesten Sohn mit ein paar gemurmelten Worten

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