Die Siedler von Catan.
Anspruch, als ihm lieb war; er gedachte nicht, jetzt auch noch von Hütte zu Hütte zu ziehen und nach Öl und Wachs zu fragen. Und ganz sicher gedachte er nicht, die alte Hexe um ihren Vorrat an Nelkenöl zu bitten und seine Salbe mit ihrem heidnischen Zauber zu verderben. Stattdessen kochte er den Pflanzenbrei mit ein wenig
Wasser, das er zuvor geweiht hatte, und verrührte ihn dann mit einem Löffel ausgelassenem Schweinefett. Er ließ die etwas streng riechende Salbe gründlich abkühlen. Trotzdem stöhnte Hacon so jammervoll, als der Sachse sie auftrug, dass Siglind mit den Tränen kämpfen musste. Mitfühlend schaute sie auf den verletzten Jungen, dann auf dessen winzigen Neffen hinab und fragte sich beklommen, wie es mit ihnen allen weitergehen sollte.
»Wo ist Candamir?«, fragte Hacon zum wiederholten Male.
Aber sie wussten es nicht.
Drei Tage und zwei Nächte blieb Candamir im Wald.
Er fand eine kleine, grasbewachsene Senke nahe am Fluss. Dort legte er sich hin, lauschte dem Wasser, den Vögeln und dem Wind und wartete darauf, dass sein Rücken aufhörte, sich so anzufühlen, als habe jemand ihn mit flüssigem Feuer übergossen. Er rührte sich so wenig wie möglich und fiel bald in einen ohnmachtähnlichen Erschöpfungsschlaf. Osmunds Stimme weckte ihn, als kupferfarbenes Abendlicht den Wald durchflutete. »Mach dich bemerkbar, wenn du willst, dass ich dich finde!«
Candamir schwieg.
»Dann komme ich eben morgen früh wieder!«
Danke, mein treuer Freund. Einziger Bruder, den ich noch habe …
In der ersten Nacht haderte er mit seinem Schicksal, verfluchte die Nornen und die Götter, die ihn in dieses wunderbare Land geführt hatten, das alles verhieß, was ein Mann sich nur wünschen konnte, nur um ihn dann ins Unglück zu stürzen: verraten von seinem eigenen Bruder, vor aller Augen gedemütigt von seinem Feind. Sie hatten ihm eine Frau geschickt, mit der er gern sein Leben geteilt hätte, aber sie wollte ihn nicht. Und einen Sohn hatten sie ihm geschenkt, aber dessen Mutter war ein wertloses Stück Dreck. Es war beinah zum Lachen …
Candamir erschrak, als er stattdessen anfing zu weinen, aber es spielte ja keine Rolle, niemand konnte ihn sehen. Nachdem er einmal angefangen hatte, fand er es schwierig, wieder aufzuhören. Also heulte er wie ein Bengel, bis er schließlich zu erschöpft war und keine Tränen mehr hatte. Er schloss die brennenden Augen und geriet in die Fänge eines grellen, wirren Albtraums, der irgendetwas mit seinem Vater, einem Hungerwinter und dem Vorratshaus zu tun hatte.
Eine Berührung schreckte ihn schließlich aus dem unruhigen Schlaf. Es war ein kleiner Fuchs, der ihn neugierig begutachtete und sacht mit seiner feuchten Nase anstupste, so als spüre er, dass dieses fremde Geschöpf einsam und unglücklich war. Der hübsche rote Geselle war zutraulich und so possierlich, dass er Candamir zumindest ein mattes Lächeln entlockte. Höchstens eine Elle entfernt setzte er sich ins Gras, und sie schauten sich an.
»Ich hoffe, du bist nicht der listenreiche Loki, der mich zu irgendeiner folgenschweren Dummheit verführen will«, murmelte Candamir. »Ich wäre gerade geneigt, auf dich zu hören.«
Osmund hielt Wort. Jeden Morgen und Abend kam er zu der Stelle, wo er Candamir abgesetzt hatte, und rief nach ihm, und am Abend des dritten Tages verließ Candamir sein Versteck und trat zu ihm.
»Odin sei Dank«, stieß Osmund erleichtert hervor. »Ich dachte, du bist tot.«
»Nein. Hungrig.«
Osmund lächelte flüchtig und warf einen möglichst unauffälligen Blick auf Candamirs Rücken. Ein unverändert scheußlicher Anblick, stellte er ohne Überraschung fest, die Haut, soweit noch vorhanden, schwärzlich blau bis gelb verfärbt. Doch er staunte, wie gut die Striemen abgeheilt waren.
»Ruhe und Flusswasser«, erklärte Candamir, dem der Blick nicht entgangen war.
Osmund nickte. »Willst du mit zurückkommen? Oder soll ich dir etwas zu essen besorgen und herbringen?«
Candamir war versucht, das großzügige Angebot anzunehmen, schüttelte dann aber seufzend den Kopf. »Ich glaube, wenn ich heute nicht mit zurückkomme, dann nie wieder.«
»Alle werden froh sein, dich zu sehen«, bemerkte Osmund ohne besonderen Nachdruck. »Viele sind zu mir gekommen und haben nach dir gefragt. Sie sorgen sich. Und sie alle haben gesagt, sie hätten noch nie erlebt, dass ein Mann für einen anderen tut, was du für Hacon getan hast. Ich weiß nicht, wofür du dich schämst, aber du hast
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