Die Siedler von Catan.
Dorfwiese.
»Die Häuser stehen noch«, murmelte Candamir.
»Ja. Alles sieht aus wie immer«, stimmte Hacon erleichtert zu und betrachtete den Fluss abschätzend. Jetzt nach dem trockenen Sommer floss der Strom träge und barg für einen guten Schwimmer keine Tücken. »Was meinst du? Schaffst du es?«
»Ich bin kein Greis, Hacon«, lautete die hitzige Antwort, und ohne auf ihn zu warten, watete Candamir ins Wasser.
Hacon seufzte und folgte ihm.
Während der ganzen Wanderung war Candamir wortkarg und missgelaunt gewesen. Sie hatten sich bei Sonnenaufgang des ersten Tages erhoben, hatten sich nur aus Vernunftgründen die Zeit genommen, ein paar Forellen zu fangen und zu braten, aber gegessen hatten sie bereits im Gehen. Wasser und Nahrung hatten sie beide die Strapazen und Entbehrungen der Wüstendurchquerung schnell überwinden lassen. Candamirs Fieber war verschwunden, und auch die Muskelkrämpfe kamen nicht wieder. Außerdem beflügelten sie die Sehnsucht nach daheim und die Sorge um die Menschen dort. Trotzdem hätte sich während der vielen Stunden, da sie hintereinander oder gar Seite an Seite durch den Wald wanderten, Gelegenheit geboten, ein paar Worte zu wechseln. Ein schlichtes Danke hätte ja schon genügt, dachte Hacon, aber darauf hatte er vergeblich gewartet. Als er die Stille irgendwann nicht mehr aushielt, hatte er schließlich verständnislos gefragt: »Wäre es dir lieber, ich hätte dich da liegen und verrecken lassen?«
Mit einem kurzen, aber äußerst finsteren Blick hatte Candamir erwidert: »Ich wüsste es zu schätzen, wenn du für dich behältst, was passiert ist. Falls du es ertragen kannst, dich nicht mit deiner Tat zu brüsten.«
Hacon war zutiefst gekränkt und sagte nichts mehr. Erst Stunden später ging ihm auf, dass Candamir die Antwort auf seine Frage schuldig geblieben war.
Seite an Seite erreichten sie das heimische Ufer. Candamir hatte weiche Knie und Mühe, ruhig zu atmen, aber er wollte verdammt sein, wenn er seinen Bruder merken ließ, wie erschöpft er war.
Die Dorfwiese lag verlassen im Abendsonnenschein. Sie waren dankbar, dass ihnen neugierige Blicke und Fragen vorerst erspart blieben, und wandten sich nach rechts. Candamir verabschiedete sich mit einem knappen Nicken von seinem Bruder und betrat seinen Hof. Niemand war dort. Er hoffte inständig, dies habe nichts anderes zu bedeuten, als dass alle beim Nachtmahl saßen. Doch plötzlich fragte eine helle Stimme hinter ihm: »Was willst du hier?«
Nils, erkannte Candamir. Langsam drehte er sich um, damit er den Jungen nicht erschreckte.
Nils stand vielleicht fünf Schritte entfernt zwischen ihm und dem Obstgarten. »Wer bist du?« Es klang halb ängstlich, halb herausfordernd.
Für einen Moment war Candamir zu erschüttert darüber, dass sein Sohn ihn nicht erkannte, um sich zu rühren oder zu antworten. Mit wachsendem Schrecken sah er, dass der Junge einen Sax in der viel zu kleinen Faust hielt.
Langsam ließ Candamir sich im Gras auf die Knie sinken.
»Ich bin es, Nils, dein Vater.« Er streckte ihm die Hände entgegen. »Komm nur her und schau mich aus der Nähe an, dann wirst du sehen, dass ich die Wahrheit sage.«
Der rote Kindermund öffnete sich in purer Verwunderung. Aber die meergrauen Augen leuchteten. Nils erkannte seinen Vater an der Stimme. Mit einem Jubelschrei warf er die Waffe beiseite und fiel ihm um den Hals.
Candamir schloss ihn lachend in die Arme und hob ihn hoch. »Na siehst du.«
»Aber dein Haar ist ganz kurz. Ich dachte, du wärst ein fremder Sklave und …«
»Haare wachsen wieder, weißt du. Wo ist deine Mutter?«
»Bei Austin. Er ist verwundet.«
Sie lebt. Sie ist nicht verschleppt. Das war für einen Moment alles, was Candamir begreifen konnte, und erst mit einiger Verspätung drang die zweite Hälfte von Nils’ Mitteilung zu ihm durch. »Verwundet? Schlimm?«
»Ich weiß nicht.«
»Haben Lars’ Männer das getan?«
»Nein, Osmund. Vater, warum siehst du so verändert aus? Es ist nicht nur dein Haar. Noch etwas anderes. Aber was nur?«
»Osmund hat Austin verwundet?«
»Ja. Jetzt weiß ich’s! Du bist ganz dünn!« Nils legte eine Hand auf den Mund und kicherte. Da er wenig von Krankheit und noch weniger von Hunger wusste, erschien ihm der Anblick eines mageren Menschen komisch.
Candamir nahm sich zusammen. Er musste sofort zu Siglind, erkannte er, um ihre Angst und Sorge nicht unnötig zu verlängern, aber ebenso, um zu erfahren, was sich hier ereignet hatte. Er
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