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Die Siedler von Catan.

Die Siedler von Catan.

Titel: Die Siedler von Catan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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seinen langen Marsch durch die Wüste. Nur an einzelne Empfindungen und Momente. Über weite Strecken, so kam es ihm vor, war sein Geist zu einer kleinen, blauen Flamme geschrumpft. Er dachte an nichts mehr, betete nicht und sorgte sich nicht wegen des Überfalls auf das Dorf oder um die Sicherheit seiner Familie und Nachbarn. Er bündelte seine Kräfte und verwandte sie allein darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, den Rhythmus seiner stetigen, langen Schritte niemals zu unterbrechen. Er sah die Sonne nicht untergehen, spürte die Hitze nicht schwinden, starrte stur auf den Boden und seine Füße hinab, damit er nicht stolperte. Denn er wusste, er durfte nicht fallen.
    Eine gute Stunde nach Einbruch der Nacht erreichte er so den Schatten der Bäume, die ohne jeden Übergang dort begannen, wo das Leere Land endete. Er kannte den Wald nicht, doch war dieser dem am Rande ihrer Felder so ähnlich, dass Hacon sich sogleich heimisch und geborgen fühlte. Er lauschte einen Moment mit zur Seite geneigtem Kopf und erahnte irgendwo voraus das Murmeln von Wasser.
    Beinah vergnügt lachte er vor sich hin. Rücken, Hals, Schultern und Arme schmerzten ihn, als habe er tagelang ein eisernes Joch getragen. Mit jedem Schritt schien das Gewicht seines Bruders zuzunehmen und ihn tiefer in die Knie zu zwingen, die ebenfalls zu schmerzen begonnen hatten. In Zukunft, gelobte Hacon, würde er mehr Geduld und Mitgefühl für die armen Ochsen aufbringen, die ihre Felder pflügen und ihre Karren ziehen mussten. Doch als er das Wasser hörte, überkam ihn ein solches Glücksgefühl, dass für die letzten Schritte alle Mühsal von ihm abzufallen schien. Quer durch Farn und Gras, die ihm bis über die Knie reichten, bewegte er sich auf das Murmeln zu, kam bald an das flache Ufer eines Baches und ließ seinen Bruder ohne allzu große Behutsamkeit hineingleiten.
    Candamir regte sich nicht sogleich. Doch das kühle, prickelnde Nass, welches seine Sinne wahrnahmen, war so belebend, dass es schließlich auch jenen Teil von ihm erreichte, der schon in Dunkelheit wandelte. Plötzlich riss er die Augen auf und tastete mit den Händen im nassen Schlamm am Grund des Baches.
    Hacon hatte sich gleich neben ihm ins Wasser gesetzt, trank drei, vier gierige Schlucke, ehe die Vernunft ihn bewog, wieder aufzuhören, ließ sich stöhnend auf den Rücken fallen und benetzte sich das sonnenverbrannte Gesicht.
    »Hacon …« Es klang verwirrt und ungläubig.
    Der jüngere Bruder richtete sich auf und ließ die Schultern kreisen. Es war ein köstliches Gefühl, seiner Last ledig zu sein.
    »Wir haben es geschafft, Candamir. Trink. Aber nur ein bisschen. Du bist geschwächt, und mir schien vorhin, du fieberst. Also sei vorsichtig.«
    Candamir setzte sich auf, tauchte die Hände zwischen den Knien ins Wasser, schöpfte und trank, schöpfte und trank, so lange, bis Hacon einschritt und seine Hände festhielt. »Warum hörst du eigentlich nie auf mich?«
    Candamir riss sich nicht los. Er ließ seine Hände in denen seines Bruders und sah ihn an. »Wie … wie kann das sein? Was für ein eigenartiges Wunder ist das? Ich … du …« Sein Blick war rastlos, vielleicht gar ein wenig ängstlich.
    Hacon lächelte. »Zerbrich dir nicht den Kopf. Wir sind hier. Das ist das Einzige, was zählt. Deine Erinnerung wird schon zurückkehren.«
    »Aber …«
    »Wie fühlst du dich?«
    Mit einem verständnislosen Kopfschütteln horchte Candamir kurz in sich hinein. »Durstig, hungrig und müde.«
    »Dann trink und schlaf. Morgen früh hole ich uns ein paar Forellen aus dem Bach, und dann …«
    »Hacon, warum bin ich hier und nicht tot im Leeren Land?«, fiel Candamir ihm schneidend ins Wort. »Was hat das zu bedeuten? Was ist passiert?«
    Hacon senkte verlegen den Blick. »Ich habe dich aus dem Leeren Land hierher gebracht.«
    »Du hast mich getragen? Aber es waren noch mindestens fünf Meilen!«
    »Ungefähr, ja.«
    »Das … das ist unmöglich.«
    »Unsinn. Du wiegst ja kaum mehr als ein Strohhalm.«
    Candamir wandte den Blick ab, schöpfte wieder Wasser mit den Händen und trank. Dann erhob er sich unsicher, watete aus dem Flüsschen ans grasbewachsene Ufer und warf sich auf den Boden. Als Hacon ihm kurz darauf folgte, war Candamir schon wieder eingeschlafen.
    Am späten Nachmittag des übernächsten Tages kamen sie ans Südufer des großen Flusses. Die Sonne berührte schon beinah die Wipfel der Bäume auf der Flussinsel zu ihrer Linken, und genau gegenüber lag die

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