Die Siedler von Catan.
Siebensachen mit. Was ihr vergesst, seht
ihr vermutlich nie wieder.«
Ungezählte Male hatten sie diesen Moment besprochen und geplant. Alles verlief reibungslos. Siglind öffnete die hintere Ladeluke, Asta die am Bug. Dann halfen sie den Kindern die kurzen Trittleitern hinab, hielten einen Säugling oder ein Bündel Decken, um sie dann nach unten zu reichen, stützten die Alten und Seekranken und verschwanden schließlich selbst im Laderaum. Derweil verteilten Osmund und Siward die vorbereiteten Taue an alle, die an Deck blieben. Die Vorsichtigen seilten sich an, diejenigen, die glaubten, ihren Heldenmut unter Beweis stellen zu müssen, hingen sich ihre Seilrolle vorerst über die Schulter, darunter auch Hacon.
»Geh an deinen Platz und seil dich an«, befahl Candamir.
»Aber Candamir …«, protestierte der Junge.
Mit erschütternder Plötzlichkeit heulte der Wind auf und blähte das Segel mit einem Knall so laut wie ein Donnerschlag.
Candamir ohrfeigte seinen Bruder, hatte aber sogleich wieder beide Hände am Helm. »Du machst es dir zur Gewohnheit, mir zu widersprechen, Hacon. Das ist nicht ratsam. Jetzt tu, was ich sage.« Dann hob er die Stimme. Er musste schon brüllen, um sich Gehör zu verschaffen: »Das gilt für euch alle! Seilt euch an! Wer über Bord geht, ist rettungslos verloren!«
Kaum hatte er ausgesprochen, fing es an zu schütten, und der Wind legte zu. Schleunigst leisteten die Männer seinem Befehl Folge, schlangen sich ein Seilende um den Leib und knoteten das andere an die dafür vorgesehenen Ringe in der Bordwand oder die fest verschraubten Ruderbänke.
Der Wind heulte mit Furienstimmen, und der alte Mast
knarrte warnend.
»Was ist mit dem Segel, Candamir?«, fragte Siward.
»Wir holen das Segel nicht eher ein als Olaf«, beschied Candamir und wischte sich die triefenden schwarzen Haare aus dem Gesicht.
»Aber …«
»Das Segel bleibt oben, sag ich! Hab keine Furcht, Siward. Der Sturm treibt uns genau in die Richtung, in die wir wollen. Und du weißt doch, was das Orakel gesagt hat: Die Götter haben uns diesen Sturm geschickt. Wenn er uns den Mast nehmen will, von mir aus, aber bis dahin segeln wir!« Ein eigentümliches Leuchten lag in seinen Augen, das Siward alles andere als beruhigend fand.
Kaum einen Unterschied gab es zwischen Tag und Nacht bei diesem Höllenwetter. Doch als die vollkommene Schwärze der Nacht zu bräunlicher Dunkelheit zerfloss, schloss Austin, dass irgendwo an einem glücklicheren Ort der Welt die Sonne aufgegangen sein musste. Mit zitternden Händen zog er den Stecken und das Speisemesser aus seinem Beutel und machte die siebzehnte Kerbe. Noch mehr als zehn mussten folgen, so wusste er, bis sie hoffen konnten, die Insel zu erreichen. Aber er vermochte sich beim besten Willen nicht vorzustellen, wie er jenen fernen Tag erleben sollte. Er war schon jetzt vollkommen erschöpft. Ihm war sterbenselend, und obwohl er nichts mehr in sich hatte, das er noch hätte ausspucken können, musste er ständig würgen. Vielen der Männer erging es so. Bis auf die Haut durchnässt, hockten sie auf den Planken, krallten sich an ihre Sicherungsleinen und froren bitterlich. Manche beteten. Manche stierten vor sich hin. Allein Candamir und Osmund schienen noch auf den Beinen zu sein. Im Laufe der Nacht hatte der Sachse mal den einen, mal den anderen am Steuer gesehen, wenn ein plötzlicher Blitz die Dunkelheit zerriss. Jetzt im gespenstischen Morgengrauen war es Osmund, der am Helm stand. Und Candamir ging breitbeinig und vornüber gebeugt zum Mast. Austin kam es vor, als hätte der Sturm mit dem Morgen neue Kräfte gewonnen, das Schiff wurde herumgeschleudert wie ein Blättchen auf einem reißenden Strom, und allenthalben schlugen gewaltige Brecher auf das Deck. Aber Candamir fand bei jedem Schritt einen Halt, schlang hier einen Fuß unter eine Ruderbank, bekam dort ein Tau zu fassen. So erreichte er sein Ziel.
Das Segel hatte die Nacht erstaunlicherweise überstanden. Auch die Wanten und Stage, die aus Seehundsleder und verhältnismäßig neu waren, würden es wohl noch ein Weilchen machen. Mehr Sorgen bereitete ihm der Mast selbst, dessen Fuß in einem Kielschwein steckte, wodurch es möglich war, ihn im Bedarfsfalle umzulegen. Mastfuß und Kielschwein waren alt, der Mast hatte zu viel Spiel, wusste Candamir, er würde vermutlich nicht brechen, sondern irgendwann einfach umfallen, wenn sie den Fuß weiterhin den Kräften des Sturms aussetzten. Er klammerte sich an die
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