Die Signatur des Mörders - Roman
kein Buch, kein Kalender! Lediglich ein großer Flachbildschirm sowie ein Mauspad mit zugehöriger Maus.
In diesem Moment wurde Myriam durch ein erneutes Klirren abgelenkt. Ihr Blick fiel auf einen Vorhang, nein, es handelte sich um lange Schnüre, an denen Fotos hingen und die sich langsam im Luftzug drehten. Alles in ihr zog sich zusammen. Sie hörte, wie Ron tief Luft holte.
Metallseile. Es durften an die zehn Stück sein, die von der Decke hingen. Mit winzigen Magneten waren Fotos befestigt. Bei jedem Luftzug stießen sie gegeneinander, und ein leises Scheppern wie bei einem Windspiel erfüllte den Raum.
Ron griff nach einem Seil und hielt es fest. »Kannst du das glauben?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Was ist los?« Keiner reagierte auf die Angst in der Stimme der Haushälterin.
Myriam schloss für wenige Sekunden die Augen. Zwei Jugendliche? Konnten sie sich das ausgedacht haben? Waren sie fähig, solche Morde auszuführen? Waren sie kaltblütig genug? Besaßen sie die entsprechende Kraft? Veit hatte gesagt, dass es sich bei dem Täter im Falle von Helena Baarova um einen kräftigen Mann gehandelt haben musste. Wer hätte dabei an einen Fünfzehn- oder Sechzehnjährigen gedacht?
»Okay«, hörte sie neben sich Hannah. »Betrachten wir die Bilder doch einmal genau.«
Myriam trat neben sie vor die Fotos, und gemeinsam starrten sie diese minutenlang an.
Nur langsam erkannte Myriam einzelne Motive auf den Aufnahmen. Eine schwach erleuchtete Bühne. In der Mitte eine Gestalt in einem roten Kleid. Im Hintergrund dicht gedrängt, mit blass geschminkten Gesichtern, Figuren in einer starren Pose verharrend.
»Was ist das?«, fragte Hannah.
»Eine Aufführung an der Schule. Im letzten Jahr. Ein ziemlich großer Erfolg«, erklärte Frau Kramer. »Simon hat mir eine Karte geschenkt.«
»Ist Simon irgendwo zu sehen?« Es war Hannah, die diese Frage stellte. Nichts ließ darauf schließen, dass Frau Kramer misstrauisch wurde. Hatte sie wirklich keine Vorstellung, was dieses Foto zu bedeuten hatte?
»Moment.« Die Haushälterin trat näher und musterte hinter der Brille die einzelnen Aufnahmen. Schließlich deutete sie auf eine der Figuren im Hintergrund. »Das könnte Simon sein. Und irgendwo muss David stehen.«
»Wer ist das?«, fragte Hannah. »Die Frau in der Mitte?«
»Eine professionelle Balletttänzerin, die das Projekt unterstützt hat.«
»Ballett?«, fragte Myriam alarmiert. »Simon hat an einer Ballettaufführung teilgenommen?«
»Aber ja«, erwiderte Frau Kramer erstaunt. »Simon geht zusammen mit David in eine Ballettschule. Seit diesem Projekt damals. Habe ich das nicht erwähnt?«
In demselben Moment konnte Myriam an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie verstand.
»Sie meinen doch nicht, dass diese Tänzerin dieselbe ist, die …«
Myriam erstarrte, Ron stieß einen Fluch aus, während Hannah langsam den Kopf bewegte, als würde sie nicken, als hätte sie schon die ganze Zeit gewusst, dass hier die Tür war, durch die sie gehen mussten, um die Lösung zu finden. »Okay«, rief sie schließlich. »Ihr habt die Jungen nicht überprüft, das Psychologenteam nicht eingeschaltet, den falschen Mann in Untersuchungshaft genommen, der sich daraufhin dort das Leben genommen hat, und noch immer wird ein Mann vermisst. Ihr habt alles falsch gemacht, was ihr konntet. Und warum? Ihr habt euch von euren Vorurteilen leiten lassen. Jugendliche, denkt ihr, können so etwas nicht machen, oder? Das ist genau das, was wir immer wieder erleben. Die Blindheit und Naivität von Erwachsenen, wenn es um Kinder geht!«.
»Er war nur ein Junge«, erklärte Ron, das Handy am Ohr. »Nur ein Junge, der Helena Baarova nicht oder kaum kannte.«
»Wie hieß die Aufführung?«, fragte Myriam an Frau Kramer gewandt, die nun erschreckend blass war.
»Keine Ahnung«, nervös rieb sie die Hand an der Schürze, als müsste auch sie sich die Schuld von den Händen waschen.
»Le Sacre du Printemps? War es das?«
»Könnte sein«, erwiderte die Haushälterin zunächst noch ruhig, bis es plötzlich aus ihr herausbrach: »Was ist mit Simon? Ist er in Gefahr?«
Hannah legte beruhigend den Arm um ihre Schultern. »Sie sollten jetzt diesen Raum verlassen. Gehen Sie hinunter. Vielleicht können Sie uns allen einen Kaffee kochen. Wir werden ihn brauchen.«
Die Haushälterin gab zögernd nach.
Ron schüttelte den Kopf. »Henri meldet sich nicht. Es schaltet sich immer noch nur die Mailbox ein.«
»Wo, verflucht noch mal, kann
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