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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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er sein?« Myriam sah auf die Uhr. »Es ist mitten am Tag.«
    Sie fühlte sich seltsam aufgeputscht, als befände sie sich in einer Art Adrenalinflash. Eine Entscheidung musste nun der anderen folgen. Die Richtung, in der sie weiter vorgehen würden, lag plötzlich klar vor ihr. Es galt nun einen Schritt nach dem anderen zu tun. Dazu gehörte es, einen Durchsuchungsbefehl auszustellen. Ron war bereits dabei, die Spurensicherung anzurufen. Nicht mehr lange, und das Zimmer hier würde voll von Beamten sein, die jede Schublade durchwühlten.
    Sie tippte die Nummer des Gerichts. »Cordula, wir brauchen einen Durchsuchungsbeschluss.«
    »Ich vermute, so schnell wie möglich?«
    »Und ich komme heute nicht mehr ins Büro.«
    »Nun, Sie können tun und lassen, was Sie wollen, aber Sie sollten wissen, dass Sie bereits einen Termin mit dem Anwalt im Bermudafall verpasst haben. Er sitzt gerade bei Hillmer und beschwert sich.«
    Myriam befand sich jedoch nicht nur in einem Adrenalinflash, sondern auch auf einem höheren Level der Gleichgültigkeit. Sie musste Prioritäten setzen, und … sie rief es sich das erste Mal wirklich bewusst ins Gedächtnis … Paul Olivier war nicht nur spurlos verschwunden, sondern sein Leben war gefährdet, und sein Tod würde grausam sein. Sie konnten darauf einfach nicht mit Dienstvorschriften reagieren oder business as usual.
    »Geben Sie den beiden einen aus«, sagte sie und beendete das Gespräch.
    Es konnte ihre Karriere kosten. Sie hatte hier nichts zu suchen, aber sie konnte nicht einfach aus diesem Albtraum aussteigen, einem Albtraum voller absurder Ereignisse, die der kranken, aber mächtigen Fantasie zweier Jugendlichen entsprang.
    »Wir müssen eine Suchmeldung für die beiden herausgeben«, sagte Myriam und nach einigen Minuten: »Ich möchte nicht daran denken, was es bedeutet, dass die beiden etwas mit den Morden zu tun haben. Es sind doch noch Kinder.«
    »Kinder«, erwiderte Hannah, als habe sie schon längst resigniert. »Heute gibt es keine Kinder mehr.«
    »Aber ich trage die Verantwortung«, murmelte Myriam.
    »Deine Wunden kannst du später lecken«, erwiderte Ron.
     
    Die Maschinerie lief an. Die Spurensicherung traf erstaunlich schnell ein. Hannah begab sich zur International School, wo sie mit Lehrern und Mitschülern sprechen sollte. Inzwischen hatten sie auch Simons Vater benachrichtigt und ihn direkt aus dem OP in das Haus seiner geschiedenen Frau gebracht. Blass, müde und völlig überfordert saß er auf dem Stuhl in der Küche und bemühte sich, die Fragen der Polizei zu beantworten, während Frau Kramer vergeblich versuchte, Frau Sanden zu erreichen, die irgendwo in der Stadt zu einem Einkaufsbummel unterwegs war.
    Henri blieb spurlos verschwunden.
    Myriam schien, als befände sich die ganze Stadt in Alarmstufe eins, ohne dass es jemand merkte. Die Menschen würden es erst erfahren, wenn alles vorbei war, und das Bewusstsein, dass etwas Grausames direkt vor ihren Augen geschehen war, würde ihnen einen Schock versetzen. Für einige Zeit wäre es Tagesgespräch. Dann hätte man sich daran gewöhnt. Die nächste Stufe der Abstumpfung wäre erreicht.
    Noch immer konnte Myriam nicht wirklich begreifen, was geschehen war. Eine Stadt mit an die 700 000 Einwohnern ist zu klein, als dass vier Menschen darin auf einmal verschwinden können. Fünf, dachte sie dann. Ich habe die Leiche der Ehefrau vergessen. Irgendwo im Bermudadreieck.
    Und Paul Olivier? Es ist noch nicht vorbei.

38
    La Strada. Straße der Rettung. Er war am Ende. Oder am Anfang.
    Alex fühlte einen Schmerz an der Schläfe, als hätte jemand einen Nagel hineingeschlagen. Er wankte die Mainzer Landstraße entlang, ohne es zu wissen. Allein sein Unterbewusstsein erkannte den vertrauten Weg, während sein Verstand den Wahnsinn abspulte.
    Es war Stunden her, dass er etwas genommen hatte.
    I wish I was a baby. I wish I was dead. Cold turkey has got me on the run.
    Das Bedürfnis, alles anzufassen, war übermächtig. Das kalte Metall der Straßenlaternen, die staubigen Mauern der Gebäude, den rauen Asphalt der Straße. Er drückte sein Gesicht an das Glas von Fensterscheiben, er riss Blätter von den Büschen und rieb sie sich ins Gesicht. Er musste spüren, dass seine Umgebung real war. Es gelang ihm nicht.
    Er wollte sich die Seele aus dem Leib kotzen, alles herausschreien, um zu erleben: Er existierte.
    Es war eine neue Art von Verzweiflung, die in ihm tobte. Eine Verwüstung im Tiefsten seines Innern. Sie war

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