Die Signatur des Mörders - Roman
Hannah, beugte sich nach vorne und reichte Myriam lächelnd die Hand. Etwas von der Ruhe, die Hannah Roosen ausstrahlte, ging auf Myriam über.
Als Ron den Wagen startete, fragte Hannah: »Erzählt mir alles, was ihr über Simon wisst. Was hat er mit dem Fall zu tun?«
»Bisher dachten wir: nichts. Er hat zusammen mit David Hus die erste Leiche entdeckt. Helena Baarova.«
»Die Tänzerin?«
»Ja.«
»Was wollte er bei ihr? Warum kannte er sie?«
»Er kannte sie nach unseren Ermittlungen überhaupt nicht, sondern hat David Hus nur begleitet, der Helena zum Geburtstag gratulieren wollte.«
»War der Junge in das Mädchen verliebt?«
»Welcher Junge?«
»David.«
Myriam und Ron sahen sich an. »Das wissen wir nicht.«
»Ihr habt nicht versucht herauszufinden, welches Verhältnis David zu Helena Baarova hatte?«
»Nein«, erklärte Ron gereizt. »Es gab keinen Grund.«
Myriam kam ein Gedanke, den sie bisher außer Acht gelassen hatten. Beunruhigt schüttelte sie den Kopf.
»Was?«, fragte Ron.
»Er könnte ihr Halbbruder gewesen sein.«
»Wer?«, fragte Hannah verständnislos.
»David«, erklärte Myriam und überlegte. »Was, wenn er es wusste?«
»Wovon redest du?«, kam Hannahs Stimme ungeduldig vom Rücksitz.
»Helena hielt Milan Hus für ihren Vater.«
»Wie lange wisst ihr das schon?«
Weder Myriam noch Ron antworteten darauf.
»Simon ist sehr gut mit David Hus befreundet«, nahm Ron das Gespräch wieder auf.
»Wie gut?«
»Seit dem Selbstmord seines Vaters wohnt er dort.«
»Vielleicht war Simon eifersüchtig«, überlegte Hanna laut. »Ihr seid sicher, dass er und diese Tänzerin, Helena Baarova, sich vorher nie begegnet sind?«
Ron zuckte die Schultern.
»Kannte er das zweite Opfer? Diesen Justin Brandenburg?«
»Natürlich kannte er ihn, wenn er mit David befreundet war. Simon hat David oft zuhause besucht. Die beiden scheinen überhaupt rund um die Uhr zusammen zu sein.«
»Welche Informationen haben wir über Simons Familie?«, wollte Hannah wissen.
»Eltern geschieden. Mutter vermutlich Alkoholikerin.«
»Wer hat dann erlaubt, dass David dort wohnt?«
»Das Jugendamt«, erklärte Myriam.
»Na klar. Die machen es sich einfach. Die Alkoholprobleme von Simons Mutter stehen vermutlich nicht in deren Akten. Schließlich ist der Mann Arzt.«
»Chef der Chirurgie.«
»Noch schlimmer.«
Da Hannah die Dinge zusammenfasste, lückenlos aufdeckte, wie fehlerhaft, wie dilettantisch sie die Ermittlungen angegangen waren, brachte sie Myriam und Ron zum Schweigen. Ein Schweigen, das ein Eingeständnis ihrer Schuld darstellte. Ja, sie hatten die einfachsten Fragen nicht gestellt.
Sie hatten sich verführen lassen von Geschichten über Franz Kafka.
»Was verbindet die beiden Jungen?«, machte die Psychologin unbeirrt weiter.
»Was sie verbindet? Herrgott, Hannah!«, rief Ron. »Verstehst du nicht? Dieser Simon hat für die Ermittlungen bisher keine Rolle gespielt. Es gab einfach keine Verbindung. Zuletzt deutete alles auf einen Täter, der von Kafka besessen war. Deshalb haben wir Hus verdächtigt.«
»Und als er Selbstmord begangen hat? Was habt ihr da gedacht?«
Ron schwieg und Myriam seufzte. »Wir haben überlegt, dass der Täter es vielleicht auf Milan Hus abgesehen hatte. Dass er diesen in die Enge treiben wollte.«
»Eine waghalsige Theorie und nicht ungefährlich.«
»Bei einem solchen Fall können waghalsige Hypothesen nicht ausbleiben«, rechtfertigte sich Myriam.
»Okay, Simon ist also mit David befreundet. Die beiden haben die Leiche entdeckt«, stellte Hannah Roosen fest. »Und ihr kommt erst jetzt zu mir? Und das auch nur, weil Simons Vater Chirurg ist?«
»Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um nach Schuld zu suchen«, widersprach Myriam. »In drei angeblichen Kafka-Manuskripten wurden brutale Morde angekündigt. Zwei davon sind bereits geschehen. Und nun ist Paul Olivier verschwunden. Ist er der Täter oder das nächste Opfer? Wir wissen es nicht. Wir haben im Moment nur eine Spur, die wir gezielt verfolgen können. Wir suchen nach jemandem, der ohne Probleme an Nadel und Faden herankommt und in der Lage ist, einem Menschen den Mund zuzunähen.«
»Habt ihr uns in der Schule angekündigt?«
Da Ron und Myriam schuldbewusst schwiegen, zog Hannah ihr Handy hervor.
»Wisst ihr wenigstens, welche Schule?«
»Die International School in Frankfurt.«
Es dauerte nicht lange, bis Hannah Roosen die Nummer der Schule herausgefunden hatte. Wenige Minuten später beendete sie
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