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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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das?«
    Aus Gewohnheit richtete sie die Frage an Henri. Im Laufe des letzten Jahres hatten sie eine Übereinstimmung in der Arbeit erreicht, die es ihr erleichterte, den Anblick von Leichen zu ertragen, ihn auszuhalten, doch nun entzog er sich ihrem Blick, indem er unverwandt auf die Füße des Mädchens starrte.
    Myriam hörte Ron laut seufzen, als Veit mit sachlicher Stimme erklärte: »Sie hat sich die Füße abgebunden, wenn sie tanzte.«
    Noch immer verstand Myriam nicht. »Warum?«
    »Damit sie in kleinere Schuhe passten.«
    »Aber...«
    »Tänzerinnen, die Schuhgröße 39 oder 40 haben, aber 37 tragen - das ist Alltag beim Ballett.«
    »So kann man doch nicht tanzen!«, rief Myriam entsetzt.
    Veit sah sie direkt an: »Hast du schon einmal Spitzenschuhe getragen?«
    »Ich? Um Gottes willen. Meine Begabung als Tänzerin ist vergleichbar mit der als Köchin.«
    »Also null«, murmelte Ron. »Ich erinnere mich da an ein Risotto.«
    »Versuch jetzt bloß nicht komisch zu sein«, zischte Myriam.
    »Wie auch immer, Jennifer hat vor kurzem damit angefangen, auf Spitze zu tanzen. Aus medizinischer Sicht sind ihre Schuhe eine Katastrophe, doch das hindert sie nicht weiterzumachen. Ihre Schuhe entsprechen aber wenigstens ihrer Größe, während Helena Baarova in Schuhen tanzte, die mindestens zwei Nummern zu klein waren.«
    »Dann muss sie wahnsinnige Schmerzen beim Tanzen gehabt haben«, konstatierte Henri.
    »Ja.«
    Das Schweigen dauerte einige Minuten, bis Henri fragte: »Was hast du noch?«
    »Ich bin erst mit der äußeren Untersuchung fertig. Aber zwei Sachen solltet ihr unbedingt wissen: erstens die Tatwaffe. Soweit ich es beurteilen kann, hat der Täter keine herkömmliche Peitsche verwendet …«
    »Keine herkömmliche Peitsche? Was meinst du damit?«, unterbrach ihn Ron gereizt.
    »Keine Peitsche mit Riemen aus Fasern, Kunststoff oder Leder.«
    »Sondern?«, fragte Henri.
    »Ich vermute, ein Metallseil.«
    »Ein Metallseil?«
    »Vielleicht aus Stahl.« Veit schlug das Tuch über dem Oberkörper zurück. Seine Finger fuhren die tiefen blutverkrusteten Striemen auf der Brust entlang. »Diese Einschnitte können unmöglich von einem Lederriemen stammen, dafür gehen sie zu tief in die Haut. Außerdem habe ich das Blut unter dem Mikroskop untersucht und feine Metallsplitter gefunden. Ein Stahlseil entwickelt eine enorme Wucht, wenn es unter großer Spannung steht.«
    Für einen Moment herrschte Stille.
    »Außerdem«, stellte Ron fest, »hat es den Vorteil, dass man es leicht transportieren kann. Man rollt es einfach zusammen und steckt es in die Jackentasche.Wie dick, meinst du, war das Seil?«
    »Zwischen zehn und zwölf Millimeter.«
    »Wie kannst du das so genau wissen?«, fragte Myriam.
    »Das ergibt sich aus der Breite der Striemen und der Tiefe der Einschnitte, andererseits muss das Seil so beweglich sein, dass es wie eine Peitsche in der Luft schwingt. Es erfordert eine gewisse Biegsamkeit, verstehst du?«
    »Du bist dir sicher?«, fragte Henri.
    »Sicher?«, wiederholte Veit. »Wann ist je etwas sicher? Aber ich neige im Moment zu dieser Hypothese. Sie scheint mir am wahrscheinlichsten.«
    »Aber wo bekommt man so ein Seil?«, fragte Myriam irritiert. Verwundert stellte sie fest, dass die Antwort sofort erfolgte.
    »Bei Obi«, antworteten die drei Männer gleichzeitig.
    Niemand wagte zu lachen.
    »Dann solltet ihr«, sagte sie, »jemanden in den Baumarkt schicken.«
    »Wagner«, nickte Ron. »Da kann er nicht viel verkehrt machen.«
    Myriam sah Henri einen Schritt nach vorne machen. Er legte seine Hand auf den Obduktionstisch, wobei er die Stirn nachdenklich runzelte.
    Er war für die Fähigkeit bekannt, sich konzentrieren zu können. Nichts konnte ihn in diesen Momenten ablenken, wenn sich ein bestimmter Gedanke in seinem Kopf festgesetzt hatte.
    »Von den Schmerzen muss man ohnmächtig werden«, sagte er.
    »Nein«, erwiderte Veit ungerührt. »Nicht wenn man Schmerzen gewohnt war wie Helena Baarova. Vielleicht war gerade das ihr Todesurteil. Sie hat zu lange durchgehalten.«
    Jeder dachte darüber nach, bis Myriam verstand: »Deshalb hast du uns die Füße gezeigt! Du wolltest uns demonstrieren, weshalb sie die Schläge aushalten konnte.«
    Veit nickte.
    »Vielleicht hat Wagner recht. Das Ganze begann als Spiel«, überlegte Ron. »Hatte das Mädchen Alkohol getrunken oder Drogen genommen?«
    Veit schüttelte den Kopf. »Nicht, soweit ich das bisher beurteilen kann.«
    »Wie lange hat sie es geschafft,

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