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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Treppe in den Keller der Rechtsmedizin hinunter, wie immer eingeschüchtert durch diese unnatürliche Stille. Als ob man die Leichen, die im Kühlhaus aufbewahrt wurden, schon auf die ewige Totenruhe vorbereiten wollte. Das Klacken der Absätze störte diesen Frieden erheblich. Sie hatte wieder nicht daran gedacht,Turnschuhe anzuziehen, um die Toten nicht zu stören. Doch denen war sowieso alles egal.
    Im Keller wandte sie sich nach rechts, wo die Autopsieräume lagen. Sie fragte sich, weshalb Dr. Henning Veit den Termin der Leichenschau auf die Mittagszeit vorgezogen hatte. Er musste auf etwas Außergewöhnliches gestoßen sein, das er ihnen unbedingt mitteilen wollte.
    Ron, nicht Henri, hatte sie kurz nach Veits Nachricht informiert, dass diese Jess, ihr bürgerlicher Name lautete Connie Lutz, sich weigerte, mit der Polizei zu sprechen.
    »Dann bring sie mit in die Gerichtsmedizin«, entschied Myriam gereizt.
    »Mit welcher Begründung?«
    »Keine Ahnung!« Sie überlegte kurz. »Sag ihr, sie soll das Mädchen identifizieren.«
    »Wir wissen doch bereits, dass es sich um Helena Baarova handelt.«
    »Darum geht es nicht, aber vielleicht ändert diese Jess beim Anblick ihrer toten Freundin ihre Meinung.Vielleicht ist sie dann bereit auszusagen.«
    »Dazu zwingen kann ich sie nicht.«
    »Etwas sagt mir, sie wird kommen.«
    »Der Herr verschone mich vor den esoterischen Anwandlungen einer deutschen Staatsanwältin«, beendete Ron seufzend das Gespräch.
     
    Bevor Myriam die Tür zum Obduktionssaal öffnete, nahm sie eine Dose aus der Handtasche, klappte den verspiegelten Deckel nach oben und klatschte sich den Puder auf die Wangen, der laut Werbung ausdrucksstarke Lebendigkeit verleihen sollte. Das wäre in dieser Umgebung nicht verkehrt. Sie schob das Döschen in die Tasche zurück, strich den Rock glatt und versuchte sich darauf vorzubereiten, was sie erwartete.
    Die zerfetzte Leiche eines jungen Mädchens. Henris Ablehnung. Was schlimmer war, würde sich in wenigen Minuten entscheiden.
    Sie stieß die Tür auf. Niemand außer ihr war hier. Doch, wenige Meter entfernt zeichnete sich der Körper Helena Baarovas unter einem Tuch ab. Das tote Mädchen lag einsam auf der kalten Stahlplatte des Obduktionstisches. Jemand hatte das Tuch nicht vollständig über den Kopf gezogen. Eine dunkle Haarsträhne schaute darunter hervor. Die Szene strahlte Intimität aus. Dagegen empfand Myriam das Tropfen des Wasserhahns als Folter. Sie wandte sich zur Tür, um den Saal zu verlassen, als sie erleichtert Veits Stimme auf dem Flur hörte, und gleich darauf erschien er selbst in seinem grünen Kittel, gefolgt von Henri, Ron und - stellte Myriam zufrieden fest - einer Frau in knappem Rock, Glitzertop und wackeligen Pumps. Das musste Jess sein. Myriam schätzte sie auf Mitte vierzig. In jedem Fall war sie zu alt für diesen Rock, dessen Länge Myriam in Panik versetzte. Immer wieder fiel ihr Blick auf den Spitzenbesatz des roten Slips, der bei jedem Schritt aufblitzte.
    »Wer hat dich reingelassen?«, fragte Veit.
    »Dein Assistent«, erwiderte sie, »er meinte, ihr wärt bereits hier unten.«
    Myriam wich Henris Blick aus. An Rons mitleidiger Miene konnte sie erkennen, dass die beiden über sie gesprochen hatten. Im Auto vermutlich, dem Beichtstuhl der Männer, denn heute Morgen in der Kantine schien Ron noch keine Ahnung gehabt zu haben.
    Ron deutete auf die Frau neben sich: »Das ist Frau Lutz, die die Tote identifizieren soll.«
    Myriam nickte ihr zu: »Vielleicht warten Sie so lange draußen, bis wir so weit sind.«
    Die Frau zuckte betont gleichgültig die Schultern und wandte sich um, um stöckelnd den Raum zu verlassen.
    »Können wir?«, fragte Veit und trat an das Ende des Tisches, wo er einige Augenblicke stehenblieb, um ihnen Zeit zu geben, sich auf den Anblick vorzubereiten. Dann schlug er das grüne Tuch beiseite und deutete auf die Füße. »Zunächst einmal das!«
    Helena Baarovas nackte leblose Beine ragten unter dem Laken hervor wie die einer riesigen Porzellanpuppe. Myriam trat näher, ohne zu verstehen, was daran so besonders sein sollte, bis sie es sah: zwei kleine Kinderfüße. Die Zehen, seltsam verkürzt und verkrümmt, ähnelten den Krallen eines Raubvogels. Sie schienen miteinander verwachsen, weshalb sie den Eindruck einer geballten Faust vermittelten. Myriam holte tief Luft und wandte sich unwillkürlich ab, als wäre es bereits jetzt genug, wo es doch noch nicht einmal angefangen hatte.
    »Was bedeutet

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