Die Signatur des Mörders - Roman
schließlich. »Das kann niemand.«
»Sagen Sie mir, ob Sie es wussten oder nicht. Erklären Sie mir, warum Helena bei Ihnen ausgezogen ist.«
»Es spielt keine Rolle mehr.«
»Für unsere Ermittlungen schon. Sie haben versucht, sie zu verführen, und als Sie nicht lockerließen, hat sie es Ihnen erzählt. Sie wollten ihr nicht glauben und haben sie ausgelacht.«
Er gab keine Antwort, stand auf und ging zur Tür, klopfte dreimal.
Ein Beamter öffnete.
Als Milan Hus den Raum schon fast verlassen hatte, drehte er sich noch einmal kurz um. »Ein Mann besucht einen zweiten, der ihm viele Fragen stellt. Als er keine einzige beantworten kann, sagt er: ›Reut es dich jetzt, dass du mich eingeladen hast.‹ Doch der zweite erwidert: ›Das war ja nur eine Prüfung.Wer die Fragen nicht beantwortet, hat die Prüfung bestanden.‹« Er hielt kurz inne und sagte schließlich entschlossen: »Sie wollen ein Geständnis? Hier haben Sie es. Ich bin schuldig.«
26
Immer neue Wolken schoben sich vor die Sonne, die wenige Minuten später unsichtbar wurde. Der Himmel über der Frankfurter Skyline, gerade noch strahlend blau, verwandelte sich rasend schnell in eine düstere Leinwand. Es sah aus, als ob sich der Himmel verbarrikadierte.
Sie wollen ein Geständnis? Hier haben Sie es. Ich bin schuldig.
Myriam ging die Sätze in Gedanken immer wieder durch. Sie klopfte sie auf Untertöne und Nuancen ab. Vielleicht hatte sie etwas überhört? War ihr etwas entgangen?
Sie glaubte Hus nicht, gleichzeitig war sie überzeugt, er sprach die Wahrheit. Ja, er war schuldig. In irgendeiner Art, aber er hatte Helena Baarova oder Justin Brandenburg nicht umgebracht. Woher sie diese Überzeugung nahm, wusste sie selbst nicht.
Er konnte schweigen, so lange er wollte. Er musste sich nicht vor Gericht selbst belasten. Es gehörte zu ihren Aufgaben als Staatsanwältin herauszufinden, wo seine Schuld lag, von der er gesprochen hatte. Meinte er das: Er blieb so lange schuldig, bis sie ihm das Gegenteil bewiesen hatte?
Sie rannte die Treppe hoch zu ihrer Wohnung und hörte noch im Treppenhaus den Anrufbeantworter. Der Piepston ertönte, als sie gerade die Tür aufschloss. Unwillkürlich blieb sie stehen, um die Nachricht abzuhören, doch sie vernahm lediglich ein Quietschen. Dann atmete jemand laut und anhaltend.
Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Noch immer lief der Anrufbeantworter. Das Rauschen, Pfeifen und Knacken verband sich mit dem schleppenden Atem des Anrufers zu einer seltsamen Geräuschkulisse.
Dass er nichts sagte, dass er schwieg, ließ in Myriam das Gefühl aufkommen, er könne sie tatsächlich observieren. Stand er irgendwo lauernd und beobachtete sie? Verfolgte er jede ihrer Bewegungen?
Eines war sicher: Er fand Vergnügen an ihrer Angst. Er genoss sie. Nein, er legte nicht auf. Er hoffte, nein, er wusste, sie war zuhause. Er wollte nicht mit ihr sprechen, ihm genügte die Stille.
»Scheißkerl«, brachte sie hervor. »Du perverser Scheißkerl.«
Es klang lächerlich in der leeren Wohnung.
Und dann hörte sie eine Stimme, die fluchte: »Scheißhandy. Ich krieg...« Wieder ein hohes Pfeifen. »Keine Verbindung. Sarah hier.«
Erneut erklang der Piepston. Der Anrufbeantworter schaltete sich aus, es wurde ruhig, doch Myriam konnte nicht lachen.
Stattdessen dachte sie, ich werde mir einen Hund zulegen. Alle einsamen Menschen legen sich Haustiere zu. Damit jemand in der Wohnung ist, wenn man nachhause kommt. Jemand, mit dem man reden kann, der einen anblickt, wenn man mit ihm spricht, der antwortet, sei es auch nur mit einem leisen Knurren. Kurz, jemand, der auf einen aufpasst, wenn man bedroht wird.
Sie ließ die Tasche zu Boden fallen, streifte die Schuhe von den Füßen und ging in die Küche, wo sie den Kühlschrank öffnete, um festzustellen, dass er leer war. Sie hatte vergessen einzukaufen. Nein, nicht vergessen. Sie hungerte, weil es unwichtig war, ob sie aß oder nicht. Sie dachte an Justin Brandenburg. Niemand sollte so sterben müssen.
Schließlich fand sie noch eine ungeöffnete Packung Nudeln, deren Haltbarkeit in wenigen Tagen ablief. Wie Henris Ultimatum.
Sie warf die Nudeln ins kalte Wasser, bis ihr der Fehler bewusst wurde. Sie musste das Wasser zunächst erhitzen. Sie wusste nicht, wie sie es rückgängig machen sollte.
»Egal«, sprach sie laut zu sich selbst und dem imaginären Hund zu ihren Füßen. »Dann bestellen wir uns eben eine Pizza.«
Sie ging in den Flur, fest entschlossen, demnächst einen
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