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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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früh. Kein einziger der Beweise ist stichhaltig.«
    »Zugegebenermaßen ist sein Alibi zweifelhaft. Er kann natürlich noch in Prag gewesen sein, als Justin Brandenburg verschwand, aber wir wissen nicht, ab welchem Zeitpunkt Brandenburg in dieser Wohnung eingesperrt wurde. Hus könnte bereits wieder in Frankfurt gewesen sein.«
    Myriam nickte. »Alles ist möglich, aber nichts sicher.«
    »Dasselbe gilt für den Mord an Helena Baarova. Zwar haben wir die Aussage von Justin Brandenburg, Hus sei an dem Freitagabend zuhause gewesen, aber der Professor hielt sich in seinem Arbeitsraum auf, während Brandenburg ferngesehen hat. Und Hus’ Arbeitszimmer liegt im ersten Stock, während sich der Fernseher im Wohnzimmer im Erdgeschoss befindet. Er kann also jederzeit weggegangen sein, ohne dass Justin es merkte.«
    »Aber es reicht eben nicht.«
    »Er hat dir gesagt, er sei schuldig.«
    »Aber er meinte etwas anderes. Es gibt etwas, was wir nicht wissen«, überlegte sie. »Vielleicht kennt er den Täter und will ihn schützen?«
    »Paul Olivier?«
    »Vielleicht. Jedenfalls fallen mir nur zwei Gründe ein, weshalb dieser verschwinden sollte. Entweder er ist der Täter oder …«
    »Das nächste Opfer.«
    »Aber wenn es sich bei ihm um den Täter handelt, dann ist Milan Hus unschuldig, oder?«
    Henri hob die Achseln.
    »Gehen wir aber von Olivier als dem dritten Opfer aus, dann kann Hus ebenfalls nicht der Täter sein«, argumentierte Myriam, »denn zum Zeitpunkt von Oliviers Verschwinden saß er bereits im Gefängnis!«
    Die Logik siegte wie immer über alle Spekulationen.
    Henri nickte langsam.
    »Wie man es dreht und wendet, der Professor kommt als Täter im Moment nicht in Frage. Warum befindet er sich dann noch in Untersuchungshaft?«
    Eine Weile herrschte Stille, bis Henri sagte: »Du bist die leitende Staatsanwältin. Es ist deine Entscheidung.«
    Myriam empfand keinen Triumph.
    »Es spielt keine Rolle, ob ich recht habe oder nicht. Was mir Sorge macht, ist dieses dritte Manuskript. Welche Bedeutung hat es? Wird es ein weiteres Opfer geben? Im Nachhinein scheinen die ersten beiden Manuskripte jedenfalls die Morde angekündigt zu haben.«
    Sie sahen sich an, und Myriam spürte, dass sie sich einig waren. Sie fühlte sich unendlich erleichtert. Sie konnte sich auf Henri verlassen wie auf niemanden sonst.
    Henri zog aus seinem Lederrucksack eine Klarsichtfolie, die zwei oder drei DIN-A4-Seiten enthielt. Schon von Weitem erkannte Myriam die Schrift des Mannes, dem es gelang, Kafkas Handschrift perfekt zu kopieren. Während sie las, trank Henri das Glas leer, füllte ein neues. Er sprach kein Wort, starrte nur auf irgendeinen Punkt auf der weißen Wand über dem Esstisch, dort, wo irgendwann einmal ein fröhliches, buntes Bild hängen sollte.
    Die Worte ließen Myriam frieren.
    Es ist unsere Zaghaftigkeit, die das Böse hervorbringt.
    Wir wissen nicht um unsere Macht, weil wir uns vor uns selbst fürchten.
    Weil wir an Sünden glauben, die wir selbst erfunden haben.
    Ich aber sehe sie nicht, und es ist niemand da, der sie mir zeigt.
    K.
     
    Schließlich legte sie die Blätter zurück.
    »Ich werde so schnell wie möglich die Entlassungspapiere für Hus vorbereiten.«
    Myriam erhob sich. »Fahr du voraus. Ich lasse sie ins Gefängnis bringen.«
    Henri nickte und stand ebenfalls auf. Sie folgte ihm zur Wohnungstür, wollte etwas sagen, aber ihr fiel nichts ein. Und Henri sagte auch nichts, außer: »Wir sehen uns im Präsidium mit Milan Hus.«
    Sie nickte und musste sich zurückhalten, um ihn nicht zu berühren. Dass es ihm genauso ging, erkannte sie an seinen Augen. Sie strahlten in einem helleren Blau, als sie es je wahrgenommen hatte.

27
    Es war Freitagabend, und doch herrschte noch immer hektische Betriebsamkeit im Gebäude des Frankfurter Landgerichts. In den Anfangsjahren als Staatsanwältin hatte Myriam bereits ab Mittag auf denselben langen Fluren nur gähnende Leere erlebt. Nun eilten ihre Kollegen in ihren schwarzen Roben an ihr vorbei, schweigsam und in Gedanken vertieft wie Mönche im Kreuzgang ihrer Klöster. Die Belastung der deutschen Gerichte wurde immer größer. Es gab keine Phasen in denen die Intensität der Arbeit abnahm, da die Justiz am Personal sparte, wo sie nur konnte. Hoffnung, dies könne sich in absehbarer Zeit ändern, bestand nicht.
    Nein, dachte Myriam, nicht in meinem Leben.
    Dieser Job bedeutete maximalen Einsatz für ein minimales Ergebnis. Sprich, Prozesse vor Gericht nahmen zu, aber die

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