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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Herzog von Württemberg! Habt Mitleid mit dem Ärmsten der Armen! Ein Bauer, der alles verloren hat und vor dem ein langer, kalter Winter liegt.« Inbrünstig flehte der verkleidete Engel den Herzog an. Doch dieser stieß den Lumpenmann nur in die Seite und erwiderte in einem hochnäsigen Tonfall:
    »Was störst du mich auf meinem Wege zur Jagd? Was geht mich dein Elend an? Geh zu deinem Lehnsherren und bettele dort!«
    »Aber bei dem war ich schon! Der gibt mir nichts.«
    »Nun, ich gebe dir auch nichts. Soldaten, schafft mir das Lumpenbündel aus den Augen, sonst ist mir mein Tag verdorben!«
    »Oje, oje, wer soll mir jetzt noch helfen? Die Ritter wollen nichts von meinem Elend wissen, mein Lehnsherr ebenfalls nicht, und der Herzog? Dem ist seine Jagd wichtiger als alles andere.«
    Verzweifelt setzte sich Gabriel auf den Boden und schaukelte mit dem Oberkörper hin und her. Ergriffen schauten die Zuschauer dem Trauerspiel auf der Bühne zu. Manch einer stöhnte laut auf. Das, was oben auf der Bühne geschah, kannten die Menschen unten nur allzu gut! Schließlich schaute der Engel in Richtung Kirchtor, woher sich langsam eine gebeugte Gestalt näherte. Die Leute in der Kirche folgten seinem Blick.
    »Wer kommt denn da wie ein geprügelter Hund angeschlichen? Ach, das ist nur ein anderer Bauer. Von dem kann ich keine Hilfe erwarten, der hat ja selber nichts! Einen guten Tag, Bauer!«
    Freudig erwiderte der andere Bauer, der mindestens ebenso zerlumpt daherkam, den Gruß und meinte:
    »Wie ich sehe, hast du dein ganzes Hab und Gut verloren. Auch ich habe nicht viel. Trotzdem will ich das wenige, was ich habe, mit dir teilen. Und eine Schlafstatt kannst du bei mir auch finden. Kann sein, daß die Ratten dir diese des Nachts streitig machen, dafür ist es immerhin ein Dach über dem Kopf.«
    Arm in Arm marschierten die beiden Lumpenmänner von der Bühne. Nun war ich wieder an der Reihe. Ich räusperte mich laut, um die Blicke der Zuschauer wieder auf mich zu lenken, und fuhr dann fort:
    »Als der Erzengel Gabriel wieder in den Himmel zurückgekehrt war, holte der liebe Gott ihn sofort zu sich und wollte hören, wie es dem Engel ergangen war. ›Ach, meine Zeit als Bauer war ganz fürchterlich‹, sagte Gabriel und berichtete dem lieben Vater alles, was ihm widerfahren war. Da wurde der liebe Gott ganz traurig. ›Wie schlecht die Welt ist und mit ihr die Menschen!‹ rief er betrübt aus. Doch dann wurde er böse. ›Mögen es Herzöge, Lehnsherren und Ritter sein – die Himmelspforten sollen ihnen auf alle Zeiten verwehrt sein! Zur Hölle sollen sie fahren – allesamt!‹«
    In der kleinen Kirche herrschte Totenstille. Still und in sich gekehrt mußten die Zuschauer erst einmal verdauen, was ihnen gerade vorgespielt worden war. Doch dann wurde die Stille durch heftiges Bänkerücken unterbrochen, und Jost trabte im gleichen Moment wutschnaubend aus der Kirche hinaus, als plötzlich ein tosender Beifall über uns hereinbrach. »Ihr habt wohl gedacht, der Arme Konrad sei tot, was?« schrie einer dem Burgverwalter nach. »Ja, heute hat er Euch aus allen Gesichtern entgegengeglotzt, hahaha!« rief ein anderer. Wie besessen begannen die Menschen zu klatschen, zu pfeifen und zu schreien. Auf einmal spürte ich ein zaghaftes Rumpeln in der Bauchgegend, worüber ich vor Schreck fast das Atmen vergaß. In der allgemeinen Aufregung bemerkte niemand, wie ich mich in eine Ecke verkroch. Kaum saß ich, ging es mir wieder besser. Mit jedem Atemzug entspannte sich mein Leib. Doch dann klopfte es wieder von innen gegen meinen Bauch, diesmal weniger heftig als das erste Mal, und auf einmal wußte ich, was geschehen war … Ich sah Asa in der Menge stehen, die mir einen besorgten Blick zuwarf, und winkte ihr zu. Als die Heilerin mein breites Grinsen sah, wußte sie sogleich Bescheid, und auch über ihr Gesicht lief ein kleines Lächeln. Mein Kind hatte ebenfalls seine Freude über das gelungene Osterspiel kundgetan …

10.
    »Denk daran: Nimm nur die ganz jungen Triebe des Ehrenpreis! Und komm mir nicht wieder mit so verlotterten Kreuzblumen nach Hause wie beim letzten Mal! Und nimm dich vor dem Gesindel in acht!« schrie Asa mir so laut nach, daß es das halbe Dorf hören konnte. Über meiner Schulter hing ein großer Leinensack. Einen weiteren Sack hatte ich mir um den Hals gehängt, so daß er vor meinem Bauch hin-und herbaumelte. Ich drehte mich ein letztes Mal um und winkte Asa zu. Im Weggehen hörte ich, wie sie mit besorgter

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