Die Silberdistel (German Edition)
geschildert hatte: Die Hütte war bis auf einen kleinen, hölzernen Schemel leer, der Boden trocken und nicht allzu kalt, auch Ungeziefer war nirgendwo zu sehen. Nachdem ich mich von meiner Last befreit hatte, breitete ich die Decke aus, die ich in einem der Säcke mitgebracht hatte. Schritt für Schritt tat ich dann, was Asa mir vorgeschrieben hatte: Ich suchte trockenes Holz zusammen, das ich sorgsam stapelte. Daneben legte ich ein paar dünne Späne und Asas Feuerstein, so daß ich später alles bei der Hand haben würde. Über dem Holz bereitete ich mir aus drei langen Stäben eine Vorrichtung, in die ich meinen ebenfalls mitgebrachten Wassertopf hängen konnte. Wasser hatte ich auch dabei, doch mußte ich sorgsam damit umgehen. Denn mehr als zwei Wasserflaschen hatte Asa mir nicht mitgeben wollen, aus Angst, ich würde zu schwer daran tragen. »Mußt halt nicht soviel trinken. Wenn du Durst hast, sammele Sauerampfer und sauge den Saft aus dessen roten Blättern. Du wirst jeden Tropfen Wasser brauchen, also sei sparsam damit. Eine Quelle habe ich da oben bisher nicht gefunden – leider! Sonst wäre ich wirklich versucht, mich dort häuslich einzunisten.«
Ich mußte Asa recht geben: Sich hier ein Zuhause einzurichten stellte wirklich eine Versuchung dar. Die Ruhe, der Frieden und die Einsamkeit waren verführerische Zeitgenossen, wenn man sich sonst den engsten Raum mit anderen teilen mußte.
Als ich alles soweit vorbereitet hatte, setzte ich mich vor die Hütte und genoß die warme Maiensonne, die mir durch die Bäume ins Gesicht schien. Den Rücken gegen das warme Holz gelehnt, schaute ich mich um, doch nach kurzer Zeit fielen mir die Augen zu. Als ich wieder erwachte, lag mein Sonnenplatz völlig im langen Schatten der Bäume. Ich begann zu frösteln und beschloß, in die Hütte zu gehen. Nachdem ich zwei trockene Haferfladen hinuntergewürgt hatte, erlaubte ich mir ein paar Schluck Wasser. Dann legte ich mich mich für die Nacht nieder. Ein Feuer hatte ich nicht angezündet, obwohl die Versuchung groß war: wärmende, gelbe Flammen, die Licht spendeten und die Geister der Dunkelheit vertrieben … Aber ich wußte, daß ich mein Brennmaterial später noch brauchen würde.
Irgendwann wurde ich von panischen Schmerzen geweckt, von denen ich glaubte, sie würden mich zerreißen. Es ging los. Asa hatte recht gehabt. Auf den Tag genau hatte sie meine Niederkunft vorhergesagt. Auf einmal bekam ich Angst vor meinem eigenen Mut. Wie sollte ich hier droben, mutterseelenallein, mein Kind zur Welt bringen? Mochte Asa mir auch noch so genau erklärt haben, was auf mich zukommen würde, nun, da es soweit war, wurde ich ängstlich und unsicher. Ich beeilte mich, ein Feuer in Gang zu bringen und das mitgebrachte Wasser zu erhitzen. Gott sei Dank gelang mir beides im ersten Anlauf, denn meine Hände zitterten immer mehr. Leise betete ich vor mich hin, bis mich eine neue Welle von Schmerzen erfaßte und fast zu ersticken drohte.»Jerg! Wo bist du, wenn ich dich brauche?« hörte ich mich schreien. Dabei hätte Jerg mir am allerwenigsten helfen können! Unförmig zusammengekrümmt lag ich da und wartete ab. Eine Welle nach der anderen kam und ging, hob mich erst hoch und ließ mich dann im Tal der Schmerzen beinahe untergehen.
Ich weiß nicht, wie lange ich so gelegen habe. Irgendwann war ich mit meiner Kraft am Ende. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr länger leben zu können. Ich wollte nur noch sterben. Ein Teil von mir machte sich zwar noch Gedanken um das ungeborene Kind, doch der größere Teil hatte bereits aufgegeben. »So nimm mich zu dir, Vater im Himmel! Nimm mich zu dir und erlöse mi…« Ich konnte nicht einmal mein Gebet zu Ende sprechen, denn ein neuerliche Wehe hatte mich erfaßt, die alle bisherigen Schmerzen überwog. Unter Tränen blickte ich an mir hinab und sah, wie sich meine Bauchdecke hob und wieder senkte. Da spürte ich plötzlich, wie sich ein ganzer Schwall Flüssigkeit aus mir ergoß. In mir tat sich eine Quelle auf, aus der ich neue Hoffnung schöpfte. Unerwartet war wieder Hoffnung in mir, ein kleiner Funke, und dieser reichte aus, um das Feuer meines Lebensmutes erneut zu entfachen. Ich würde mein Kind bekommen, koste es, was es wolle!
11.
»Da kommt Marga! Seht doch, was hat die denn im Arm?«
»Marga? Wo war sie denn?«
»Asa hatte sie doch zum Kräutersammeln auf die Alb geschickt.«
»Um Himmels willen, Marga! Was ist denn das?«
Wie aufgescheuchte Gänse, die eine Brotkrume
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