Die Silberdistel (German Edition)
etwas merken. Nur: Hier kannst du das Kind natürlich nicht bekommen!«
»Und wo soll es deiner Meinung nach geschehen? Soll ich vielleicht hoch zur Burg und es dem Jost vor die Tür legen?« Wie leicht Asa sich das vorstellte! Heimlich ein Kind zu bekommen!
»Du alte Schwarzseherin!« Wütend schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch. »Versuch doch nur ein einziges Mal, um ein paar Ecken zu denken! Für dich gibt es immer nur Ja und Nein, ein möglich und ein nicht möglich. So einfach kann man es sich aber nicht immer machen, beste Freundin! Das erfahre ich Tag für Tag. Gelingt mir eine Gesundung nicht mit dem einen Mittel, dann vielleicht miteinem anderen. Und wenn dieses auch nicht hilft, muß ich mich fragen: Habe ich vielleicht irgendwo etwas übersehen? Hat die Krankheit, die ich behandeln soll, vielleicht einen völlig anderen Ursprung, als ich dachte? Nur indem man seinen Kopf zum Denken benutzt, findet man einen Weg auch aus dem größten Unglück. Doch ich bin es allmählich leid, immer das Denken für dich zu übernehmen!«
Asa hatte wieder einen ihrer im ganzen Dorf gefürchteten Wutanfälle. Ich wußte, daß es jetzt nur einen Ausweg für mich gab, wollte ich meine Freundin nicht für immer verärgern: Ich mußte mich zusammennehmen.
»Du hast ja recht, Asa. Aber mußt du denn gleich so schreien? Wenn es einen Weg gibt, das Kind heimlich zu bekommen, so bin ich gerne bereit, diesen Weg zu suchen. Doch was mache ich, wenn das Kind erst einmal da ist? Heimlich aufziehen kann ich es wohl nicht, oder?«
In dieser Nacht taten wir beide kein Auge zu, und als wir uns am nächsten Morgen anschauten, wußten wir nicht, ob wir lachen oder weinen sollten. Mit unseren eingefallenen Wangen und tiefen Schatten unter den Augen sahen wir aus wie zwei Schleiereulen, die versehentlich das Licht des Tages erblickten! Dennoch war ich so glücklich wie seit Ewigkeiten nicht mehr. In ihrer unendlichen Weisheit hatte Asa mir einen Weg gezeigt, mein Kind zu bekommen und dennoch meine Ehre zu behalten …
9.
Die nächsten Wochen vergingen wie im Fluge. Jeder Tag war von einer so tiefen Zufriedenheit und einem so unendlichen Glücksgefühl begleitet, daß ich Gott immer wieder dafür dankte. Ich sollte ein Kind bekommen! Über diesemGedanken erschienen mir meine Ängste und Zweifel immer nichtiger, bis sie schließlich gänzlich verschwanden. Irgendwie würde ich es schaffen. In der Zwischenzeit war ich mit der Vorbereitung des Osterspieles vollauf beschäftigt. Die Dorfbewohner waren mit solch einem Feuereifer dabei, daß es anfangs fast Streit gegeben hätte, wer nun mitspielen dürfe und wer nicht. Doch Weiland, der immer irgendwie in der Nähe war, wenn es brenzlig zu werden schien, verstand es, für jeden eine Aufgabe zu finden. Wer nicht mitspielen konnte, sollte dafür an den grünen Girlanden für die Bühne arbeiten. Die Bühne selbst sollte aus alten Brettern zusammengezimmert werden, dazu ein paar zusätzliche Bänke für die Zuschauer, die auf den Kirchenbänken keinen Platz mehr fanden. Die Brezeln mußten am Ostersamstag gebacken und dann am Ostersonntag verteilt werden und vieles mehr. Dank Weiland hatte niemand das Gefühl, bei dieser aufregenden Angelegenheit übergangen zu werden. Auch ich hatte genügend zu tun: Nachdem ich den Anstoß für das Osterspiel gegeben hatte, war es für die Menschen selbstverständlich, mit jeder Frage, und sei sie auch noch so gering, zu mir zu kommen. Sollte Karl bei seiner ersten Rede in der Mitte der Bühne stehen oder besser links? Sollte die Verkleidung von Fritz aus einem schwarzen Tuch bestehen, oder könne er auch seinen braunen Rock dazu verwenden? Und solle man eher leise oder laut reden? Im Schein der rauchigen Ölfunzeln verging so mancher Abend, an dem nicht nur für das Theaterstück geübt, sondern auch heftig darüber gestritten wurde. Doch das wichtigste war: Die Menschen hatten ihren Spaß und etwas, worauf sie sich freuen konnten!
Zwei Wochen vor dem Osterfest hieß es für Asa und mich: packen für den Märzenmarkt, der zu einer wichtigen Einnahmequelle für mich geworden war. Zwar besuchten mich die Leute, die Strohschuhe kaufen wollten, auch bei Asa. Doch es vergingen Monate, bis ich im Dorf soviel Schuheverkaufte wie an nur einem Tag während des Märzenmarktes. Asa wollte mich wieder einmal begleiten. Seit unserem ersten gemeinsamen Märzenmarkt, der ja nicht gerade glücklich verlaufen war, war sie nicht mehr dabeigewesen, und so freute ich
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