Die Silberdistel (German Edition)
Stimme zu Katharina sagte: »Ganz wohl ist mir nicht bei dem Gedanken, dieses Jahr Marga meine Maienkräuter sammeln zu lassen. Aber was bleibt mir übrig? Ich kann doch jetzt nicht für zwei Tage verschwinden, wo das ganze Dorf hustet und schnupft!«
Unbewußt hatte ich bis dahin die Luft angehalten. Doch nun, da es schien, als würden wir mit unserer Posse durchkommen, konnte ich wieder aufatmen. Gemächlich schritt ich durch die Gassen von Taben, grüßte hier und winkte da. Wer es wissen wollte, dem erzählte ich, daß ich für Asa zum Kräutersammeln auf die Alb ginge. Doch die meisten Bauern waren zu beschäftigt, als daß sie für lange Reden Zeit gehabt hätten. Der Ackerboden mußte ein letztes Mal umgegraben werden, bevor Flachs und Hanf ausgesät wurden, Bohnen und Erbsen mußten in die Erde. Auch gab es in jedem Haus ein paar Jungschweine, die durch die Zäune entwischten, wenn man sie nicht daran hinderte. Auf der Schafweide machten die nun schon kräftig gewordenen Lämmer ihren Müttern das Leben schwer, die sich heftig blökend dagegen wehrten, weiterhin ihre Jungen zu säugen. Dennoch sah man hier und da ein leidgeplagtes Mutterschaf, dessen junges Böckchen sich an ihren Zitzen festgesaugt hatte und ihr dabei mit seinen Hörnern recht unsanft in die Seite stieß. Ich mußte lächeln. Schon bald würde auch ich mein Jungessäugen. Doch zuerst einmal hatte ich ein gutes Stück Weg vor mir, auf den ich mich an diesem schönen Frühlingstag richtig freute. Zügig, aber ohne zu eilen marschierte ich los. Als ich Taben hinter mir gelassen hatte, ging ich an der Lauter entlang in Richtung Alb. Zu meiner linken Seite lag Burg Taben, die selbst an diesem warmen, sonnigen Maientag bedrohlich dunkel und kalt wirkte. Vor mir erhob sich in in einiger Entfernung das Köpfle, auf dem ein paar einsame Bäume wie aufgestellte Bürsten in die Höhe ragten. Dort droben wollte ich meine erste Rast machen. Immer wieder hatte Asa mir eingeschärft, ja nicht zu hastig zu laufen. Bevor ich die Lauter verließ, erfrischte ich mich an ihrem kalten Wasser. Zu gerne hätte ich meine Füße ein wenig darin gebadet. Ich verkniff es mir aber, denn würde ich erst einmal sitzen, käme ich nur schwerlich wieder hoch.
Es war noch nicht einmal Mittag, als ich auf dem Köpfle angekommen war. Der Aufstieg hatte mir erstaunlich wenig Mühe bereitet. Zufrieden mit mir und der Welt setzte ich mich auf einen warmen Felsvorsprung und blickte ins Tal. »Hör gut zu, kleiner Mensch! Eines Tages wirst auch du hier oben stehen und hinunterschauen! Mögest du dann so glücklich sein, wie deine Mutter es jetzt ist!« Liebevoll strich ich über meinen gespannten Leib, während ich mit meinem Kind sprach. Ungeduldig, es endlich in meine Arme schließen zu können, brach ich meine Rast nach kurzer Zeit ab und ging erfrischt weiter. Nach kurzer Zeit kam ich an eine Weggabelung. Selten einmal verirrte sich jemand hier hinauf, und so waren beide Wege wild verwachsen. Von nun an kam ich langsamer vorwärts. Ohne zu zögern nahm ich den rechten Weg, denn der andere war nur ein Aufstieg zu einer zerfallenen Burgruine. Im Vorbeigehen zupfte ich hier ein paar Blatt junges Grün, da ein paar gelbe Blüten und dort irgendwelches andere Gestrüpp, von dem ich nicht einmal den Namen kannte. Denn natürlich durften meine Säcke bei meiner Heimkehr nicht leer sein! Nachdem ich ein gutes Stück gegangen war,entfernte sich der Weg vom Albrand und führte auf eine kleine, dicht mit Flechten bewachsene Fläche. Das mußte die Lichtung sein, von der Asa gesprochen hatte. Ich rief mir ihre Worte ins Gedächtnis: »Geh über die Lichtung hinweg, dann kommst du direkt auf ein kleines Birkenwäldchen zu. Dieses ist nicht zu übersehen, denn allzuviele Birken gibt es da oben nicht. Mitten in diesem Wäldchen findest du die kleine Hütte, die mir bei meinen Wanderungen schon oft als Nachtlager gedient hat. Sie ist zwar schon ein wenig verfallen, dafür bist du dort oben vor Wegelagerern und anderem Geschwärm sicher. In all den Jahren habe ich dort noch niemals eine Menschenseele getroffen. Wahrscheinlich stammt die Hütte aus der Zeit, als die Herren zu Hohenfried die Burg bewohnten, und sie ist nur deshalb so gut erhalten, weil sie durch die Birken vor Wind und Wetter geschützt ist.«
Tatsächlich sah die Hütte recht manierlich aus. Sogar eine Tür gab es noch, die ich nun vorsichtig öffnete. Genauso vorsichtig linste ich ins Innere. Alles war so, wie Asa es mir
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