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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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der Sicherheit von Asas vier Wänden überkam mich jetzt das Gefühl, zwischen meinen Beinen eine große, blutige Wunde zu haben, deren Schmerzen sich nur deshalb in Grenzen hielten, weil ich sie vor Müdigkeit kaum mehr spürte.
    »Schon gut, schon gut. Es ist doch niemand hier außer uns beiden! Haben wir diesen Scheuffele doch richtig eingeschätzt, was? Das war mir gleich klar, daß unser Büttel mit einem winzigen Bündel Mensch nichts am Hute hat!«
    »Tja, ganz erschrocken war der, als ich ihn fragte, ob ich das Kind bei ihm lassen solle. ›Du hast es vom Wegesrand aufgelesen, also mußt du dich auch um es kümmern‹, hat er gemeint. Ach, der Mann ist so grob und dumm! Aber was nützt es mir, mich über Karl Scheuffele aufzuregen?« Ich konnte immer noch nicht fassen, daß unser Plan wirklich ganz und gar gelungen war!
    Todmüde fielen mir die Augen zu, und ich merkte kaum noch, wie Asa mir meinen Sohn in den Arm legte.
    Ich schlief und schlief.
    Ich hörte das Schreien meines hungrigen Kindes nicht, ich merkte nicht, wie Asa den Kleinen nahm und mit warmerZiegenmilch fütterte, ich bekam nichts von Weilands Besuch mit. Die ganzen Sorgen, Ängste und Nöte der letzten Monate schienen ihren Tribut in einem Mal zu fordern, und mir blieb nichts anderes übrig, als nachzugeben.
    Ich schlief, wie ich noch nie in meinem Leben geschlafen hatte.
    In den darauffolgenden Monaten hatte ich nur Augen für Find, meinen Sohn. So winzig er bei seiner Geburt auch gewesen war – in nur wenigen Monaten wuchs er zu einem strammen, beinahe dicklichen Buben heran, dessen Haare nicht nur in der Sonne golden leuchteten und immer um die Wette mit seinen strahlenden Augen funkelten. Je älter er wurde, desto sicherer waren sich die Leute, daß Find wohl von einer verzweifelten Bauersfrau ausgesetzt worden war, die ihrem Kind so den sicheren Hungertod ersparen wollte. Seine dicken, roten Backen, seine Augen und sein helles Haar sprachen dagegen, daß er in einem Zigeunerwagen zur Welt gekommen war, und ich war die erste, die den Frauen eifrig beipflichtete. Ich hatte zwar nichts gegen die Zigeuner, aber wenn die Leute Find für einen Bauernsohn hielten, war mir das um seinetwillen mehr als recht! Überhaupt nahmen die Menschen im Dorf einen großen Anteil am Wohlergehen meines Sohnes, jeder wollte wissen, was aus dem kleinen Findling wurde. Und eh ich mich versah, war mein Sohn für alle nur der Find. Der Name gefiel mir recht gut. Im stillen dachte ich sogar, nachdem mein Bub auf eine so abenteuerliche Weise zur Welt gekommen war, hatte er auch einen mindestens ebenso abenteuerlichen Namen verdient!
    Cornelius kam regelmäßig mit einer Gabe vorbei: Einmal war es ein fertiggerupftes Huhn, das wir nur noch kochen mußten. Ein anderes Mal hatte Lene eine Schüssel gesüßten Haferbrei für uns mitgegeben. Doch Cornelius kam auch, wenn er keine großen Geschenke verteilen konnte und nur ein paar Äpfel für uns übrig hatte. Als er den kleinen Find das erste Mal erblickte, mußte ich unwillkürlich die Luft anhalten. Würde er seinen Sohn erkennen? In meinen Augenwar die Ähnlichkeit zwischen den beiden nicht zu übersehen, und ich betete jeden Tag, daß niemand außer mir diese Ähnlichkeit entdecken würde. Doch meine Sorge war unnötig. Nachdem Cornelius einen flüchtigen Blick auf den Kleinen geworfen hatte, versicherte er mir erneut, daß wir beide mehr als willkommen wären im Hause Braun und ob ich es nicht übers Herz brächte, meinen alten Streit mit Lene für immer zu begraben. Das hätte ich schon längst getan, antwortete ich und murmelte dann noch etwas von ›Asa helfen‹ und ›bei der Heilerin bin ich nützlich und auf dem Hof falle ich nur zur Last …‹, bis er mich nach langem Hin und Her weiterhin bei Asa wohnen ließ. Um nichts in der Welt wäre ich freiwillig in das kalte, ewig rußgeschwärzte und stinkende Haus zurückgekehrt, in dem Lene Tag für Tag ihr Gift verspritzte! Doch das hätte ich Cornelius schlecht sagen können. Wahrscheinlich ahnte er, um wieviel glücklicher ich in Asas Hütte war, und er wäre nicht er selbst gewesen, hätte er mir dieses Glück nicht gegönnt. War Jerg erst einmal wieder zurück, würde man weitersehen.
    Wohin ich auch ging, was ich auch tat – Find war dabei. Hieß es, eine Feldfron zu verrichten, so legte ich mein Kind zu den anderen Kleinkindern auf eine Decke im Schatten eines Baumes, wo ich ihn im Blick hatte. Auf unseren langen Gängen durch Wald und Wiese nahmen Asa

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