Die Silberdistel (German Edition)
von dem dunkelroten Wein, den Asa ihr in einer tönernen Karaffe mitgebracht hatte. Sie schleckte ihre Lippen ab wie ein Kind, bevor sie fortfuhr.
»… Wie gesagt, die ersten Jahre waren nicht schlecht. Doch dann begann mein Unglück! Noch heute schüttelt es mich, wenn ich daran denke! Ich war vielleicht dreizehn Jahre alt, da beschloß Nerva, daß der Wagen für uns beide zu eng war. Ich höre sie heute noch: ›Schau dich doch an, deine Brüste, so schwer und so prall wie zwei dicke, saftige Äpfel! Wie sollen die Männer da Gefallen an meinem Trockenobst finden? So geht es nicht weiter. So geht es nicht weiter!‹ hatte sie unentwegt gemurmelt. Und dann schien sie die Lösung gefunden zu haben. Sie wich von unserer üblichen Strecke ab und machte sich auf den Weg nach Maulbronn. Dorthin waren wir sonst immer viel später im Jahr gefahren, aber auf meine Frage nach dem Warum bekam ich nur eine kräftige Ohrfeige verpaßt, und so fragte ich nicht mehr. Vor Maulbronn gibt es ein kleines Bächlein, das in den Frühjahrsmonaten so eisig kalt ist wie wohl alle Wasser, dennoch schickte Nerva mich eines Morgens in die kalten Fluten. Sogar ein Stück Seife drückte sie mir in die Hand. Du meine Güte, ich wußte nicht einmal, was das war! Blaugefroren und sauber und mit gewaschenem Haar zog sie mir einen dünnen Fetzen über, der ganz anders war als meine gewohnten Überwürfe. Aus dünnem Stoff und rot! Doch ich fühlte mich gar nicht wohl darin, denn meine Brüste waren so deutlich zu erkennen, als hätte ich gar nichts an. Danach ließ sie mich allein im Wagen zurück und verschwand nach Maulbronn. Wenn sie zurückkäme, hätte sie eine Überraschung für mich, hat sie noch gesagt. Und ich freute mich darauf. Pah! Das war in der Tat eine Überraschung. Auf die hätte ich verzichten können!«
Das Erzählen strengte Sureya an. Nach einer kurzen Pause, in der sie einen weiteren Schluck Wein nahm, erzählte sie weiter.
»Hinter Nerva betrat ein Mann den Wagen, wie ich nochkeinen häßlicheren gesehen hatte. Was für einen Kunden bringt sie denn da an, dachte ich bei mir. Und wo ist die versprochene Überraschung? Derweil kam der Mann auf mich zu und begann mich wie ein Stück Vieh auf dem Markt zu befingern. Hilfesuchend blickte ich zu Nerva, doch deren eiserne Miene verbot mir jede Widerrede. Der Atem des Mannes roch so faulig, daß mir schlecht wurde. Seine Zähne waren ganz schwarz, warum, weiß ich nicht. Überhaupt: Der ganz Mann stank! Kaum war er in unseren Wagen getreten, verwandelte sich die Luft in ein fauliges, bestialisch stinkendes Gemisch, das uns einhüllte wie eine schwere Decke und das mir die Luft zum Atmen nahm. Wie konnte ein Mensch nur so stinken, fragte ich mich und hoffte, der Mann möge schnellstens wieder gehen. Dann begannen sie, um mich wie um ein Stück Vieh zu handeln.
›Für dreißig Gulden? Da kannst du sie behalten. Schau dir doch diese dünnen Arme an. Wie soll das Weib damit ihre Arbeit verrichten? Außerdem dachte ich, du wolltest sie loshaben? Was ist nun, Hure? Zwanzig oder gar nicht!‹
›Arbeit verrichten, pah! Fällt dir bei diesem Anblick nichts anderes ein? Du bist mir ein schönes Mannsbild. Aber du hast recht: Der Wagen wird wirklich zu eng für zwei Weiber. Gib mir fünfundzwanzig, und du kannst sie mitnehmen.‹
Und das war es dann. Ehe ich mich versah, wechselten fünfundzwanzig Münzen die Hand. Dann packte der grauenhafte Mann mich grob am Arm und wollte mich aus dem Wagen hinausziehen. Ich schrie und weinte und bettelte Nerva an, sie dürfe dies nicht zulassen.
›Sei ruhig und geh mit! Sei dem Mann ein gutes Weib, und es wird dir gutgehen. Wie man einen Mann beglückt, wirst du ja wohl bei mir gelernt haben, hahaha!‹
Noch heute klingt mir ihr hämisches Lachen zum Abschied im Ohr. Kein Bedauern, gar nichts! Meine Mutter hatte mich wie einen Gaul verkauft. Den ganzen Weg nach Maulbronn schrie und heulte ich …«
»Heh! Ihr Weiber da drinnen! Wollt ihr etwa die ganze Nacht bleiben? Was gibt es mit einer Mörderin so lange zu bereden, möcht’ ich wissen?«
In der Tür war eine der Wachen erschienen. Sogleich stand Asa auf und redete in leisen Worten beschwichtigend auf ihn ein. Danach verschwand er wieder.
Sureya schaute uns an. »Ich will die Geschichte zu Ende erzählen, bevor ich sterbe. Ein einziges Mal will ich meine Geschichte erzählen, danach soll sie mit mir begraben werden.«
Wir nickten beklommen.
»Wo war ich stehengeblieben? Also, Nerva
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