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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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hatte mich an den Abdecker von Maulbronn verkauft. Egon Hopfenstiel. Nun sollte ich mein neues Zuhause kennenlernen. Maulbronn. Das erste, woran ich mich dabei erinnere, sind die Kinder, die uns auf der Straße nachrannten, als wir durch die Gassen gingen. Später haben sie Steine gegen unsere Hütte geworfen, im Winter Schneebälle. Und immer haben sie gesungen. Noch heute höre ich ihren hämischen Spottgesang …«
    Leise trug Sureya uns den wüsten Reim vor, wobei sie die Kinderstimmen von damals nachäffte:
    »Egon Hopfenstiel, Egon Hopfenstiel,
    ist nichts und hat nicht viel,
    tote Säu’, Hund’ oder Katzen,
    faulende Hühner oder Ratzen,
    wenn er die findt, nimmt er sie heim
    und gräbt sie dort in die Grube ein.
    Obacht, hier kommt Egon Hopfenstiel,
    stinkt wie ein Haufen totes Vieh.
    Wie ich die Kinder haßte! Sie waren grausam. Auch früher wollten die Kinder in den Dörfern, durch die wir kamen, nichts von mir wissen, warfen Steine nach mir oder zogen an meinen Haaren. Doch damals hatte ich mir nichts weiter dabeigedacht. Ich war eine Fahrende, sie aber waren in den Dörfern zu Hause. Doch erst jetzt, im Hause des Abdeckers, sollte ich erkennen, was es hieß, eine wahre Aussätzige zu sein. Kein Mensch, der ein freundliches Wort mit einem wechselte! Kein Mensch, der mir die Hand gab, nicht einmal unseren Karren oder unseren Gaul wollten sie berühren. Die Menschen in Maulbronn hatten panische Angst vor dem Abdecker. Und das zu Recht, denn erwischte er einen dabei, wie er selbst gerade seinen alten Hofhund abmurksen wollte, dann stieß er sein langes Abdeckermesser in dessen Tür. Dadurch war der Mann genauso ›unehrlich‹ geworden wie wir selbst und konnte sich nur durch eine großzügige Summe freikaufen. Mehr als einmal war ich dabei, als Hopfenstiel seine Macht spielen ließ. Dabei hätte er doch einfach wegschauen können! Aber ihm bereitete es eine diebische Freude, die Menschen bei seinem Anblick verängstigt zur Seite springen zu sehen. Für die Maulbronner war der Abdecker ein noch gefürchteterer Mensch als der Henker! Umgab dessen Handwerk in den Augen der Menschen wenigstens noch ein Schimmer des Unheimlichen, so war Egon Hopfenstiels Handwerk das schmutzigste, das die Stadt kannte. Und nun sollte es teilweise auch mein Handwerk werden. Wie es mich dabei grauste! Jeden Morgen zog Hopfenstiel mit seinem Karren durch die Gassen, sammelte tote Viecher auf, tötete bei den Bauern kranke Kühe oder sieche, alte Gäule und zog gefallenem Vieh das Fell ab. Die Kadaver warf er auf seinen Wagen und brachte sie in die Grube, die direkt hinter unserer Hütte lag. Dort nahm er sein großes Messer, zerteilte die toten Körper in kleinere Stücke und verscharrte diese. Dabei mußte ich ihm helfen. Mit einer Schaufel und einem Spaten mußte ich Löcher in den Boden graben, bis meine Hände blutig aufplatzten. Des Nachts hörten wir oft, wie sich wilde Köter an der Grube zu schaffen machten, um sich an dem verwesten Fleisch gütlich zu tun, und wir wußten, daß spätestens am nächsten Tag ein paar Hundekadaver mehr wegzuräumenwaren. Gab es in manchen Wochen gar zuviel totes Vieh zu beseitigen, verbrannte er es hinter unserer Hütte. Es war grauenhaft! Der Gestank der Tierleichen hing in der Hütte und sehr schnell auch in meiner Kleidung und meinem Haar. Am Anfang versuchte ich noch, durch Waschungen den Geruch loszuwerden. Doch dies hatte keinen Sinn. Wie Pech klebte es an mir, ich war durch und durch verseucht. Ich begann, meinen Leib genauso zu hassen wie mein ganzes Leben.«
    »Sureya, das ist ja grauenvoll! Du armes Weib! Aber war der Abdecker denn wenigstens freundlich zu dir?«
    Sophie war genauso betroffen wie Asa und ich, doch hatten wir es nicht gewagt, unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, vor lauter Angst, es würde Sureya vom Weitererzählen abhalten.
    »Freundlich? Der und freundlich, pah! ›Weib, ich hab’ dich gekauft wie ein Stück Vieh, und wenn’s mir nicht paßt, bring’ ich dich um die Eck’ wie ein Stück Vieh!‹ drohte er mir regelmäßig, wenn ich es wagte, mich über etwas zu beklagen. In der Hölle hätte es nicht schlimmer sein können! Jeden Abend fiel er über mich her wie ein wildes Tier, fügte mir Qualen und Pein bei, wie ihr es euch nicht vorstellen könnt. Doch, dem Himmel sei Dank, bald war mein Leib so abgestumpft, daß ich nichts mehr spürte. Kein Schmerz, keine Pein, lediglich einen abgrundtiefen Ekel, den konnte ich nicht loswerden. Dieser sollte mich

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