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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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unser Pfarrer nach einem Weg gesucht hatte, den Klostermauern zu entrinnen!
    Das Feuer brannte nun lichterloh. Sureya, wimmernd undzitternd, wurde von den Soldaten an ihren Ketten herbeigezerrt. Einer der Männer löste die Ketten, die um ihre Handgelenke geschlungen waren, während ein anderer sofort nach ihrer linken Hand griff. Als ob die arme Seele hätte wegrennen können!
    »Ich geh’ jetzt nach vorne«, flüsterte Asa mir zu, »vielleicht erlauben mir die Herrschaften, daß ich das, was von ihrer Hand noch übrigbleibt, versorge.« Bevor ich antworten konnte, hatte sich Asa schon zwischen den dichtgedrängten Zuschauern hindurchgezwängt. Ich konnte und wollte beim besten Willen nicht weiter vortreten. Mir reichte, was ich von meinem Platz aus sah. Find war zum Glück noch zu klein, um etwas von dem grausigen Schauspiel mitzubekommen. Noch schlief er friedlich auf meinem Arm und schien von der Hölle um ihn herum nichts zu merken, aber wenn die Schreie erst einmal begannen … Die anderen Mütter setzten ihre Kinder auf die Schulter, so daß diese besser nach vorne sehen konnten. Doch war es recht, den kleinen Menschen so früh schon die Grausamkeit ihrer Eltern vorzuführen? Mußte dabei nicht eine zarte Kinderseele Schaden nehmen?
    Köpfe wurden gereckt, es wurde geschubst und gestoßen, jeder kämpfte um einen noch besseren Platz, um eine noch bessere Sicht.
    »Was tun sie jetzt?«
    »Heh, ihr da vorne, was machen die da mit Sureyas Hand?«
    »Warum geht’s nicht los?«
    »Auf, auf, zur Feuerprobe!« begannen ein paar junge Burschen zu grölen.
    »Ruhe da hinten!« kam es aus den vorderen Reihen zurück. »Ihre Hand wird in weiches Wachs getaucht.«
    »Wachs? In Wachs getaucht?«
    »Wahrscheinlich macht das die Feuerprobe noch wirkungsvoller!«
    Mit übertriebenem Schwung raffte Abt Richard seine schwarze Kutte zusammen und fiel vor dem Feuer auf die Knie.Das Feuer knackte und knisterte, und ein paar Funken sprangen auf seine Kutte. Eilig schlug er mit der flachen Hand auf die rotgoldenen Funken, bis diese verglommen. Für einen Augenblick verdüsterte sich seine Miene. Störende Unterbrechungen konnte er in seinem Schauspiel nicht leiden. Er rutschte ein Stück zurück.
    »Sureya Hopfenstiel! Lege nun deine Hand ins Feuer! Bist du unschuldig, wird dir das Feuer keinen Schaden zufügen, und du wirst deine Hand unversehrt zurückziehen. Bist du aber schuldig – wird das Feuer deine Hand verbrennen!«
    Von hinten hielten zwei Soldaten Sureyas Arm in einer eisernen Umklammerung fest. Kaum berührte ihr Fleisch die roten Flammen, begann sie zu schreien. Sie schrie und schrie und schrie. Doch dann hörten die Schreie abrupt auf. Wie eine leblose Puppe hing Sureya über dem Arm des einen Soldaten, vor Schmerzen ohnmächtig geworden.
    Ohne sich um die Frau zu kümmern, hob der Richter triumphierend Sureyas verkohlte Hand in die Höhe. »Sie ist es! Sie ist die Mörderin von Maulbronn! Gott hat sein Urteil gesprochen!«
    »Habt ihr die Hand gesehen? Kein Finger war mehr dran, kein einziger!«
    »Sie kann von Glück sagen, daß sie so schnell ohnmächtig geworden ist! Man stelle sich diese Schmerzen vor! Erst letzte Woche habe ich mir selbst am offenen Feuer meine Finger verbrannt.«
    »Und dann erst das Wachs! Eine Stichflamme zwei Ellen lang hat’s gegeben!«
    Den Frauen stand der Schreck über das Geschehene noch ins Gesicht geschrieben. Immer und immer wieder wurde die Greueltat erinnert. Nachdem sich das Gericht für den heutigen Tag aufgelöst hatte und die meisten Zuschauer – zufrieden mit dem Urteil – nach Hause gegangen waren, hatten sich ein paar Frauen, darunter auch Asa und ich, am Brunnen versammelt.
    »Heut’ abend soll ich hoch kommen zur Burg. Dann darf ich gnädigerweise Sureyas Hand versorgen! Ist das nicht edelmütig?« spuckte Asa wütend aus.
    »In der Tat! Aber warum haben sie dich das nicht gleich hier unten machen lassen?«
    »Das weiß der Himmel! Wahrscheinlich soll die ›Mörderin‹ noch ein wenig leiden. Vielleicht wollen sich die Herren aber auch noch eine Zeitlang am Urteil Gottes ergötzen!«
    »Was soll’s auch? Morgen kommt sie eh dran, dann ist alles zu spät!«
    »Marianne! Versündige dich nicht! Gönnst du etwa der armen Seele nicht einmal eine geruhsame letzte Nacht?« Erschrocken über soviel Kaltschnäuzigkeit schlug Sophie die Hand vor den Mund.
    »So werde ich das nächste Mal auch vorgehen, wenn dich dein Rücken quält, Witwe Marianne! Ich werde sagen: Was

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