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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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kam.
    »Weib!« wandte er sich erneut an Sureya, »bevor du nach Taben kamst, wo hast du da gelebt?«
    »Mal hier und mal dort, bin mit meinen Kindern umhergezogen …«
    »War es nicht so, daß du in Maulbronn zu Hause warst?«
    »Nein!«
    In dieser Art und Weise ging die Befragung hin und her, wobei dem Richter anzusehen war, daß seine Geduld nicht mehr lange reichen würde. Doch Sureya blieb hartnäckig dabei, weder Maulbronn noch diesen Egon Hopfenstiel zu kennen. Bald begannen die ersten Zuschauer hämisch zu grinsen. So verhaßt ihnen Sureya auch war, daß diese durch ihre Antworten dem hohen Richter derart zu trotzen wagte, machte die Sache für sie nur noch spannender. Sollte der hochnäsige Richter ruhig ein wenig schmoren, wozu es seinesgleichen zu einfach machen?
    »Verehrte Richterkollegen, dieses Weib ist nicht nur die Mörderin von Egon Hopfenstiel, sondern eine gemeine Lügnerin dazu! Da der Mord vor langer Zeit und in einem anderen Ort geschah, haben wir leider keine Zeugen.« Er blickte in die Runde. »Ich schlage daher vor … die Feuerprobe unter der Aufsicht der heiligen Kirche zu machen. Wenn wir Erdenbürger das Recht nicht sprechen können, möge der heilige Vater im Himmel es tun!«
    Die Menge schrie auf. Eine Feuerprobe – das hatte es in Taben noch nicht gegeben!
    In diesem Augenblick wurde mir wieder einmal unsere schreckliche Hilflosigkeit klar: Die Richter, der Herzog, Abt Richard – es waren diese Männer, die über unser Schicksal entschieden. So war es immer und so würde es immer sein. Mochten wir uns auch noch so im Kleinen auflehnen, unsere Fronen lächerlich machen oder boshafte Theaterstücke aufführen – im Großen blieb alles beim alten. Daß der Richter sich vielleicht geirrt haben, Sureya mit einem anderen Weib verwechselt haben könnte – auf diesen Gedanken schien niemand zu kommen. Wie viele Menschen wurden wohl als Mörder verurteilt, ohne auch nur einer Fliege etwas zuleide getan zu haben? Auf einmal wurde mir klar, in welcher Gefahr Asa und ich täglich lebten. Zwei Frauen, die alleine wohnten … Ob da nicht auch böse Geister die Finger im Spiel hatten? Wir konnten von Glück sagen, daß noch kein Schatten eines Zweifels auf uns gefallen war.
    Ich blickte zu Jost hinüber, in der Hoffnung, daß er, der mächtige Burgverwalter, ein gutes Wort für seine Gefährtin einlegen möge. Doch nichts dergleichen geschah. In sich zusammengesunken saß er da, im Bewußtsein, daß seine mächtigen Jahre mit dem heutigen Tage beendet sein würden. Wer würde einen Verwalter noch ernst nehmen, der jahrelang mit einer Mörderin gelegen hatte, ohne dies zu wissen? Hämisch grinsten die umstehenden Bauern dem Burgverwalter ins Gesicht, ganz mutige knufften ihn in den Rücken.
    »Weiland wird das mit der Feuerprobe doch nicht zulassen, oder?« flüsterte ich Asa zu.
    »Was soll er tun? So, wie es aussieht, ist Abt Richard doch ganz begierig auf eine göttliche Probe dieser Art! Schau doch, wie eilfertig er sich in vorderster Reihe aufgestellt hat!« Asa spuckte vor sich auf den Boden. Wahrscheinlich verspürte sie einen ebenso bitteren Geschmack auf der Zunge wie ich. Wir beobachteten, wie Pfarrer Weiland eindringlich auf die Richter einsprach und danach wie ein geprügelter Hund davontrottete.
    »Wenigstens versucht hat er’s!« stellte Asa mit trauriger Befriedigung fest.
    Indessen waren die Vorbereitungen für die Feuerprobe heftig im Gange. Wie von Zauberhand tauchte plötzlich ein Stapel schwerer Holzscheite neben der Plattform auf, die eilig von einem Soldaten der Burg entzündet wurden. Die herzöglichen Zuschauer tauschten ihre Sitzplätze mit einem Stehplatz am Rande der Plattform, von wo aus sie das weitere Geschehen bestens von oben begaffen konnten. Auch die Richter verließen ihre Plätze und stellten sich auf einer Seite des Feuers auf. Auf der anderen Seite stand Abt Richard und las lateinische Verse aus einem Gebetbuch vor. Dann hob er gebieterisch die Hand.
    »Hohes Gericht! Wir bitten um die göttliche Hilfe, flehen Ihn an um sein göttliches Urteil, das unfehlbar ist und das kein Mensch anzweifeln darf! Herr, schicke uns dein Gottesurteil, auf daß Recht gesprochen werde.«
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Klostervorsteher nur vom Hörensagen gekannt, von den paar Worten, die Pfarrer Weiland über sein Kirchenoberhaupt hatte verlauten lassen: Dennoch empfand ich einen tiefen Ekel für den Mann, wie er nicht schlimmer hätte sein können. Kein Wunder, daß

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