Die Silberdistel (German Edition)
Blutvergießen vermieden werden. Er bräuchte lediglich die zwölf Artikel zum Gesetz bestimmen, und der ganze Aufstand hätte ein gutes End’.«
Skeptisch blickte Cornelius von einem zum anderen. Was Johann Dettler da vorschlug, war fast zu schön, um wahr zu sein.
Dettler räusperte sich. »Wir waren beim achten Artikel angelangt. Nun denn:
8. Alle Güter, die mit Schulden belastet sind, sollen neu eingeschätzt werden, auf daß der Bauer nicht von den Abgaben erdrückt werde,
9. Strafen sollen wieder nach alter Gewohnheit zugemessen werden, denn die reine Willkür ist nicht im Sinne von Gottes Gerechtigkeit,
10. Die Allmende soll endlich wieder der Gemeinde und somit allen gehören,
11. Der Todfall soll abgeschafft werden, auf daß in Zeiten der Trauer nicht auch noch die Geldnöte hinzu kommen mögen,
12. Alle diese Artikel sollen am Worte Gottes geprüft werden, denn nur dessen Gerechtigkeit ist es, die wirklich zählt.«
»Es scheint, du und dieser Sebastian Lotzer habt an alles gedacht«, mußte Cornelius wohl oder übel zugeben. »Die heiligen Worte stammen wahrscheinlich aus der Feder von Pfarrer Weiland, wenn ich das richtig sehe. Damit hast du es doch nie gehabt, oder?«
Dettler gab ihm recht. »Pfarrer Weiland konnte uns in der Tat viele Bibelstellen zeigen, die belegen, wie recht wir mit unseren zwölf Artikeln haben.«
»Wie wollt ihr aber vorgehen? Und was soll ich dabei machen?«
Dettler und Weiland wechselten einen kurzen Blick.
»Lotzer kennt einige Drucker, die sich bereit erklärten, die zwölf Artikel für uns zu drucken. Viele, viele Blätter haben wir schon zusammen, wir müssen sie lediglich verteilen, auf daß jeder Bauer hört, was wir zu sagen haben. Du sollst dabei …«
»Aber ist das nicht gefährlich für die Drucker? Wenn sie erwischt werden, ist doch der Kopf ab«, unterbrach ihn Cornelius.
Dettler zuckte mit den Schultern. »Was ist schon ungefährlich in diesen Zeiten?«
»Außerdem kann ich nicht lesen! Wie soll ich den Leuten dann klarmachen, was in den zwölf Artikeln geschrieben steht?«
»Du müßtest ja nichts vorlesen, sondern mit so vielen Männern wie nur möglich reden! Sie davon überzeugen, daß ein Kampf mit den württembergischen Soldaten sie den Kopf kosten würde!«
Cornelius lachte kurz auf. »Das ist ja alles schön und gut. Die vielen, braven Burschen, die tagein, tagaus nur das tun, was ihre Hauptleute ihnen heißen, die könnten wir vielleicht überzeugen. Aber ist es nicht viel wichtiger, mit Wunderer und Feuerbacher und den anderen zu sprechen? Diese sturen Böcke zu überzeugen – darin liegt doch wohl die Schwierigkeit. Und seit dieser Rohrbach dazugestoßen ist, sind alle doch nur noch toller geworden. Sie sehen sich schon als richtige Helden. Ans Blutvergießen in den eigenen Reihen verschwendet von denen kaum einer einen Gedanken.«
Weiland, dem nicht entgangen war, daß Cornelius zwar alle Hauptmänner beim Namen nannte, nur seinen eigenen Brudernicht, entgegnete: »Vielleicht bedarf es eines genauso sturen Bockes, um sie von unseren Plänen zu überzeugen?«
Zum ersten Mal seit vielen Tagen lachte Cornelius laut auf. »Nun, denn! Dann laßt uns an die Arbeit gehen, so Gott will!«
13.
»Von wem habt Ihr eine Nachricht erhalten?« Ungläubig starrte Erzherzog Ferdinand seinen Hofmarschall an.
Geduldig wiederholte von Blauen seine Worte. »Von Luther. Martin Luther aus Wittenberg. Heute morgen ist der Bote aus dem Norden angekommen.«
Ferdinand schüttelte mit dem Kopf. »Luther! Was der uns wohl zu sagen hat? Lest vor!«
»Bei Luthers Schreiben geht es um die sogenannten zwölf Artikel. Ihr wißt doch, diese lächerlichen Reden, die unter den Aufrührern die Runde machen, die …«
»Um Himmels willen, von Blauen! Ihr schweift ab wie ein altes Weib, das seinen Wein nicht vertragen hat.« Ferdinand verdrehte die Augen. »Selbstverständlich weiß ich, worum es sich bei diesen zwölf Artikeln handelt. Ihr selbst habt mir doch letzte Woche eines dieser schlecht gedruckten Exemplare überreicht, welche laut Euren Worten an jeder Straßenecke verteilt werden. Faßt einfach kurz und bündig zusammen, worum es in Luthers Schreiben geht.«
»Wie Ihr wünscht. Luther warnt davor, die zwölf Artikel ernstzunehmen. In seinen Augen würdet Ihr damit Eure Untertanen mit zu vielen Verantwortlichkeiten belasten. Das bestehende Recht sei sehr wohl dazu geeignet, für Gerechtigkeit im Namen Gottes zu sorgen. Zum Punkt der Leibeigenschaft schreibt
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