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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Beitritt zum Armen Konrad , dann derVorfall auf der Jagd und jetzt die Bewunderung seiner Kameraden. Kopfschüttelnd nahm er sich einen weiteren Holzscheit vor, legte ihn auf den Block und trennte ihn mit einem sauberen Beilschlag genau in der Mitte. Nachdem sein Leben bisher in einem eintönigen Einerlei abgelaufen war, war das ein bißchen viel auf einmal! Ganz schwindlig wurde ihm manchmal. Oft hatte er das Gefühl, ein völlig anderer Mensch geworden zu sein. Aber – da war er sich ganz sicher, mit ›früher‹ wollte er nicht mehr tauschen. Endlich war er jemand, zu dem die anderen bewundernd aufschauten! Das tat gut. Ein Leben lang war er immer nur der kleine Bruder vom Cornelius gewesen, auf den niemand zählen wollte, wenn’s drauf ankam. Auf den die älteren Schwestern und der Bruder immer ein Auge haben mußten. Der später für jeden Schabernack zu haben war und der immer dabei war, wenn es darum ging, einen über den Durst zu trinken oder Weiberröcken hinterherzupfeifen. Nun, alles hatte sich wohl doch nicht geändert, mußte er sich mit einem breiten Grinsen eingestehen. Wenn er nur an seinen letzten Besuch bei Sureya dachte … Kurz nach der Jagd war er bei ihr gewesen, wenn auch nicht für lange, weil sie ›Besuch erwartete‹, wie sie ihm von oben herab mitteilte. Aber lang genug, um zu erhalten, wofür er gekommen war. Er runzelte die Stirn. ›Und ich könnte immer noch schwören‹, ging es ihm zum wiederholten Male durch den Kopf, ›daß ich da beim Fortgehen den Jost gesehen habe, wie er sich von hinten an Sureyas Hütte anschlich.‹ Plötzlich kamen ihm Cornelius’ Worte wieder in den Sinn, der während der Jagd auch etwas in dieser Art gesagt hatte. Doch erschien ihm dieser Gedanke so unwahrscheinlich, daß er ihn letztlich abschüttelte wie eine nasse Katze einen Regenschauer. Der Jost konnte doch auf der Burg alle Weiber haben, die er wollte: Stubenmädchen, Köchinnen, Schankmädchen und Dreckweiber, da würde er sich doch nicht gerade Sureya aussuchen, oder? Obwohl man schon weit laufen mußte, um einem Weib wie ihr zu begegnen …
    »Ach, hier bist du. Ich hab’ dich schon überall gesucht!« Vorwurfsvoll trat Cornelius auf ihn zu. An seinen Schuhen klebte der schwere, lehmige Ackerboden, wie er nur im Gewann Rot zu finden war. Dort gehörten ihnen mehrere Flecken Erde, die schon seit Generationen von einem Braun zum anderen als Erblehen weitergegeben worden waren. Als ihre Eltern und Schwestern vor fünf Jahren der Pest zum Opfer gefallen waren, hatte Cornelius als ältester Sohn die kleinen Ländereien samt Pachtrecht übernommen. Noch heute wurde ihm ganz schwarz vor Augen, wenn er an diese Zeit dachte. Als ob der Tod beider Elternteile nicht schon schmerzhaft genug gewesen wäre, wurden sie zudem durch Sterbegeld, Wechselgeld und andere Abgaben, die in einem solchen Fall an den Lehnsherren zu zahlen waren, für den Rest des Lebens bestraft! Obwohl die Tabener keinen Lehnsherren im ursprünglichen Sinne hatten, wie das beispielsweise im benachbarten Dettingen der Fall war, wo das Adelsgeschlecht vom Schloßberg der Gemeinde vorstand, hieß das noch lange nicht, daß sie von Fron-und Naturalabgaben verschont geblieben wären! Hier hatte die Burg Taben die Stelle eines Feudalherren eingenommen, und so kamen auch die Tabener um die verhaßten Abgaben nicht herum. Deren Höhe richtete sich nach der Größe der bewirtschafteten Fläche. Cornelius mußte pro Jahr von jedem Feld, jedem Baum und von jedem Acker ein Drittel an die Burg abgeben. Dazu kamen weitere Abgaben wie vier Hühner, vier Gänse, fünfzig Eier, dreißig Liter Milch sowie drei Tiegel Schmalz. Außerdem mußte er jährlich einen Wiesenzins von zwanzig Schilling für seine Feldereien entlohnen, die er dadurch zusammenbekam, daß er einen Teil seiner Ernte auf dem Markt verkaufte. An das naheliegende Kloster Weil mußte der Zehnte entrichtet werden, und so blieb am Ende meist gerade so viel übrig, daß bisher kein Familienmitglied hatte Hunger leiden müssen. Vielmehr ging es ihnen um ein Mehrfaches besser als den Leibeigenen, die ihrem Herrn ein Leben lang auf Gnade undUngnade ausgeliefert waren. Ein solcher konnte nicht den kleinsten Besitz sein eigen nennen, seien es die Lumpen an seinem Leib oder die auf seiner nächtlichen Schlafstatt – er gehörte mit Haut und Haaren seinem Feudalherren. Statt die armen Kreaturen zu bemitleiden, blickten die ›freien‹ Dorfbewohner in dem selbstzufriedenen Wissen, daß es

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