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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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bedeutungsvoll zwischen ihnen hingen.
    Wütend starrte Jerg vor sich auf den Boden. Ein schöner Held war er! Bei der kleinsten Einschüchterung durch seinen Bruder verriet er alles, was ihm heilig war. Er hätte sich hinstellen sollen und dem Cornelius ins Gesicht sagen, was er von seiner Rede hielt. Jeder hat einen von Gott zugewiesenen Platz – und wenn der einem nicht gefiel? Das hätte er seinen Bruder fragen sollen, statt dessen hatte er klein beigegeben wie eine feige Ratte!

6.
    Während sich auf dem Lande das erste Gewitter des Jahres zusammenbraute, war es in Stuttgart schon voll im Gange: In der herzöglichen Kanzlei zu Stuttgart, in einemSeitenflügel des Schlosses gelegen, herrschte regelrechte Weltuntergangsstimmung. Die Schreiberlinge in den äußeren Räumen beugten sich tief über ihre Bücher, die Lakaien schlichen durch die Gänge wie Hunde mit eingekniffenem Schwanz, jeder sprach mit jedem nur das Nötigste, und auch dies nur im Flüsterton. Im Inneren der herzöglichen Kanzlei hörte man dagegen schon seit Stunden Herzog Ulrich schreien und toben, daß manche um dessen Gesundheit – und um die ihre – bangten.
    »Ihr elenden Hurensöhne! Wenn kein Geld da ist, dann stellt neues her! Kein Geld, kein Geld! Ich kann’s nicht mehr hören!« Wie ein Tiger im Käfig rannte der Herzog zwischen seinem Schreibtisch, der eher einem Thron als einem Arbeitsplatz glich, und der gegenüberliegenden Wand hin und her. Wie er diesen düsteren, quadratischen Raum haßte! Den Regierungsgeschäften nachgehen! Manchmal fragte er sich wirklich, wozu er einen ganzen Troß von Beratern bezahlte, wenn er sich doch immer selbst um alles kümmern mußte! Blindwütig griff er nach dem erstbesten Gegenstand auf dem Schreibtisch, einem Briefbeschwerer aus Kristall, und warf diesen mit aller Gewalt an die Wand. Dort zerschellte der schwere Stein mitten im kaiserlichen Antlitz Maximilians, der auf einem riesigen Ölgemälde verewigt war. Wieviel lieber würde er jetzt den neuen Falken fliegen lassen, den sein Falknermeister für einen stolzen Preis direkt in den Alpen für ihn erstanden hatte. Ein wahrhaft prächtiges Tier!
    Die drei engsten herzöglichen Berater, Erzmarschall Thumb, der Kanzler Lamparter und Landschreiber Lorcher, drängten sich schweigend in einer Ecke des Raumes zusammen. Gleichgültig, wer nun etwas sagte, es böte dem Herzog bestimmt einen Anlaß zu einem neuen Wutausbruch. Schon begann er wieder zu toben: »Da fällt den Herrschaften nichts anderes ein, als bei mir hereinzuspazieren und zu verkünden, es sei kein Geld mehr in den Kassen! Kein Geld! Ja, muß ich mich denn um alles kümmern?« Sein Kopf warhochrot angelaufen, seine Augen schienen aus ihren Höhlen hervorzuquellen, und unter seinen Achseln hatten sich riesige, dunkle Schweißränder auf seinem viel zu engen Seidenwams gebildet.
    ›Wenn der Herzog nicht in der nächsten Minute vor Zorn platzt, können wir nur von Glück reden‹, schoß es Lamparter durch den Kopf. Der Kanzler beschloß, in die Offensive zu gehen. Zu verlieren hatten sie schließlich alle drei nichts mehr.
    »Verehrter Herzog, es tut mir leid, dies sagen zu müssen, aber schon vor Monaten haben wir Euch von Eurer prekären finanziellen Lage in Kenntnis gesetzt.« Er hob beide Arme und ließ sie mit einer bedauernden Geste wieder fallen.
    Mit schriller Stimme äffte der Herzog seinen Kanzler nach, um dann erneut loszubrüllen: »Und wieso habt ihr dann nicht schon vor Monaten damit begonnen, neues Geld aufzutreiben?«
    Lamparter blickte zu Thumb, der ihm die Antwort abnahm.
    »Was hätten wir denn tun sollen, verehrter Herzog! Ihr erhaltet nirgendwo mehr im Lande Kredit, Eure Schulden in Höhe von 910 000 Gulden haben sich herumgesprochen bei den Geldverleihern. Selbst Fugger hat Euch ein weiteres Darlehen abgeschlagen. Die Keller, die Kassen, ja selbst die Fruchtkästen im Land sind leer. Alles leer!« In jedem Wort klang blanke Verzweiflung mit. »Diejenigen, die gerade erst die schrecklichen Zeiten der Pest überlebt haben, sind nach diesem harten Winter vom Hungertod bedroht!«
    »Hunger und Pest! Schluß damit, ich will nichts mehr davon hören!« Der Herzog stampfte mit seinem linken Bein auf den Boden wie ein trotziges Kind. »Habt Ihr meine Ohren nicht schon genug gequält? Erhöht doch einfach die Abgaben der Landschaft! Laßt die Mistgabeln schaffen, bis sie umfallen, das treibt ihnen die Frechheit aus, wie ich sie in Taben noch vor zwei Wochen erleben mußte!

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