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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Die dortigen Bauern schienen mir nicht gerade vor dem Hungertodzu stehen!« Er rückte so nah an Thumb heran, daß dessen Gesicht nur noch eine Nasenlänge von dem seinen entfernt war. Thumb konnte den schlechten Atem des Herzogs riechen, und als er es wagte aufzublicken, sah er in dessen gebleckten Zähnen Reste der Morgenspeise hängen. Plötzlich wurde ihm ganz übel, und mit einem schnellen Griff in die Tasche zog er ein Fläschchen Riechsalz hervor, an dessen Öffnung er tief einatmete, sobald sich der Herzog wieder einen Schritt entfernt hatte.
    Lorcher, der Landschreiber, der bisher von allen dreien am wenigsten gesprochen hatte, sah, daß der Kanzler mit seinen Kräften am Ende war, und so übernahm er, wohl oder übel, das Wort: »Gnädiger Herr, erlaubt auch mir ein paar Worte. Denn es gäbe es da noch eine Möglichkeit, schnell an Geld zu kommen …« Er ließ den letzten Satz verlockend wie einen Köder in der Luft hängen.
    Der Herzog schnappte danach wie ein Fisch nach einem fetten Wurm. Entgeistert starrten die beiden anderen Berater nun auf Lorcher. Was in aller Welt redete er da? Hatten sie sich nicht tagelang vergebens den Kopf zerbrochen?
    »Nun, egal wie ausgeblutet und verarmt die Landschaft auch sein mag, essen müssen die Leute doch schließlich weiterhin, oder?« Mit einem listigen Lächeln blickte der Landschreiber in die Runde.
    »Ja, ja, aber sagt doch endlich: Worauf wollt Ihr hinaus?« Dem Herzog, ein Ende des unerfreulichen Gespräches witternd, konnte es nicht schnell genug gehen.
    Hurtig spann Lorcher den Faden weiter. »Es ist doch ganz einfach. Es gibt der Möglichkeiten drei: Erstens«, hier nahm seine Stimme einen autoritären Ton an, den man von dem kleinen, gedrungenen Mann, der die meiste Zeit hinter seinen Büchern verbrachte, nicht gewöhnt war, »… wir legen eine Steuer auf Nahrungsmittel wie Fleisch, Mehl und Wein fest. Das sind die Dinge, die am meisten verspeist werden und so die meisten Steuern einbrächten.« Wieder blickte er in dieRunde. »Zweitens, wir verringern im ganzen Lande Maße und Gewichte, behalten aber die jetzigen, festgelegten Preise bei. Der Mehrgewinn wird sofort an die herzöglichen Kassen weitergeleitet.« Der kleine Mann war nun so von seiner Vision gefangen, daß er fortfuhr, ohne auf mögliche Einwände zu warten: »Und drittens, wir lassen leichtere Münzen prägen. So sparen wir zum einen kostbares Edelmetall ein, dessen Vorräte eh zu einem Nichts zusammengeschmolzen sind, und zum anderen bringen wir dadurch wieder Geld unter die Leute!« Zufrieden mit seiner Geistesleistung blickte er lobheischend um sich und bemerkte dabei nicht, daß sich der Erzmarschall und der Kanzler schockiert anblickten.
    ›Jetzt ist es passiert‹, schoß es dem Kanzler durch den Kopf. ›Jetzt ist der Lorcher vollkommen übergeschnappt. Mit diesem Schwabenstreich bringt er uns alle um unseren Kopf!‹ Fassungslos über soviel Dummheit schüttelte er den Kopf und wartete darauf, daß der Herzog ihr Todesurteil spräche. Derweil zog der Erzmarschall in größter Seelennot erneut sein Riechfläschchen aus der Tasche, doch konnte der aufsteigende, beißende Geruch diesmal nicht dazu beitragen, seine Pein zu stillen. Am ganzen Körper zitternd war so aus der Fassung gebracht, daß er schließlich die ersten Worte des Herzogs versäumte.
    »… einfach genial.«
    Oje, was war genial? Hatte sich Ulrich in dieser kurzen Zeit schon eine Art zu sterben für die drei ausgedacht? Während Thumb heftig zu schwitzen begann, klatschte sich der Herzog jedoch mit beiden Händen auf die Oberschenkel. Er strahlte übers ganze Gesicht.
    »Euer Plan ist wahrhaft genial!« wiederholte er seine ersten Worte. »Wer hätte das gedacht! In unserem Bücherwurm steckt ein Genie! Steuern auf die wichtigsten Lebensmittel!« Hier schlug er sich auf die Stirn. »Ich frage mich, wieso wir erst jetzt darauf kommen?« Verzückt blickte er in die Runde.
    »Die Maße und die Gewichte verringern, die Preise aber gleichlassen. Das merken die Krautund Rübenfresser doch gar nicht! Und ich bin endlich meine Geldsorgen los!«
    Erst jetzt dämmerte den anderen, daß der Herzog Lorchers Vorschlag nicht nur für bare Münze nahm, sondern von diesem regelrecht begeistert war! Nun beeilten sie sich, ebenfalls einen Beitrag zur Lösung des Problems beizusteuern. Sonst sähe es am Ende noch so aus, als hätte Lorcher allein den Karren aus dem Mist gezogen! Der Kanzler schlug vor, die neuen Erlasse auf den

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