Die Silberdistel (German Edition)
auf mich. Darum bleibt mir nicht mehr viel Zeit! Marga, Lene – könnt ihr mir ein paar Dinge einpacken? Warme Kleidung und eine Decke vielleicht. Und etwas zum Essen, wenn’s geht …«
»Aber vielleicht gibt es doch noch eine andere Möglichkeit! Laß uns zum Pfarrer gehen und um Hilfe fragen!« Margas Gesicht wies Spuren von Hoffnung auf.
Jerg winkte ab. »Was sollte ein kleiner Dorfpfarrer gegen den Haß des Herzogs ausrichten können?« ›Und gegen die Verräter aus den eigenen Reihen‹, ging es ihm durch den Kopf, doch behielt er diesen Gedanken für sich. »Außerdem, es ist ja nicht für lange. Wahrscheinlich bin ich in ein paar Wochen schon wieder da«, versuchte er Marga zu trösten.
»Dann nimm mich mit! Ich brauch’ nichts zu essen und nichts zu trinken, und ich schlaf’ unterm freien Himmel, wenn es sein muß. Nur laß mich nicht allein hier!«
»Und wir können in der Zwischenzeit die Ernte allein machen! Das lass’ ich mir gefallen! Wenn du mich fragst …«
Grob fuhr Cornelius seinem Weib übers Maul: »Es fragt dich aber niemand! Habt ihr nicht gehört, was der Jerg zu euch gesagt hat? Was zum Essen sollt ihr ihm einpacken!« Er scheuchte die beiden protestierenden Frauen davon.
Nachdem die beiden Männer allein am Tisch saßen, unternahm Jerg nochmals einen Versuch, um Cornelius’ Verständnis zu wecken. »Weißt du, Cornelius, ich glaub’, jeder Mensch muß im Leben das tun, wofür er bestimmt ist. Und ich hatte halt das Gefühl, ich bin dafür bestimmt!« Er mußte daran denken, wie willig sich die Männer von ihm hatten anwerben lassen, wie begeistert ihm alle nach Untertürkheim gefolgt waren. So ganz schlecht hatte er seine Sache doch nicht gemacht, oder?
»Tun, wozu man bestimmt ist! Das ist doch Blödsinn! Wenn unsereins zu etwas bestimmt ist, dann für die Ackerarbeit und für nichts anderes! War es nicht immer so, daß wir unsere Fronen geleistet haben und der Herzog uns dafür beschützt und regiert hat? Was war so schlecht daran? Es kann doch nicht jeder machen, was er will!« Cornelius bebte am ganzen Leib.
»Ich hab’ ja nicht gesagt, daß es gar keine Fronen mehr geben soll. Nur kann es nicht sein, daß der Herzog mehr Geld ausgibt, als er hat, und wir dafür bezahlen müssen! Denk doch zurück, wie es war, als die Eltern noch lebten! Hat Eberhard im Bart etwa ein so verschwenderisches Leben geführt wie unser jetziger Herzog?«
»Da vergleichst du Himmel und Hölle miteinander! Unserem alten Herzog, Gott hab’ ihn selig, kann so schnell niemand das Wasser reichen, am allerwenigsten sein Nachfolger! Doch gibt das niemandem das Recht, sich gegen ihn aufzulehnen! Er ist nun einmal Herzog, und wenn er neue Gesetze beschließt, müssen wir uns danach richten. Das war schon immer so, und das werdet ihr auch nicht ändern. Sieh doch nur, was sie dir gebracht hat, deine Geheimbündlerei!«
Jerg seufzte betrübt.
»Ach Cornelius, ich wünschte, du wärst damals in Untertürkheim dabei gewesen, dann würdest du jetzt anders reden! Tausende von Menschen können doch nicht alle unrecht haben! Ich denke, es hat nur einer unrecht, und das ist Herzog Ulrich. Denk doch nur dran, wie er damals auf der Jagd den Heinrich halb totgeschlagen hat! Und so einen Mann hältst du für einen besseren Menschen, als wir es sind?«
»Nun, das will ich so nicht sagen …«, druckste Cornelius herum. Er fühlte sich von Jerg in die Enge getrieben.
Jerg hatte sich nun warmgeredet. Mit glühender Stimme fuhr er fort. »Cornelius, versuch mich zu verstehen! Es bricht mir das Herz, wenn ich mitansehen muß, wie du dich um unseren Haushalt sorgst und dabei alt und grau wirst! Wenn ich sehen muß, wie Lene Jahr um Jahr mehr Zähne ausfallen, weil nicht genügend Essen da ist, um alle richtig satt zu kriegen. Und mein Weib – hat sie es etwa verdient, von morgens früh bis spät nachts zu ackern und zu fronen, bloß, damit der Herzog noch mehr Feste feiern und noch mehr Geld ausgeben kann? Die Sache, für die ich einstehe, ist eine heilige Sache, die uns allen dienen soll!« Er nahm Cornelius’ schwielige Hände in die seinen. Beschwörend blickte er seinen Bruder an.
»Schließ doch für einen Moment die Augen, Cornelius. Und stell dir vor, wie es wäre, wenn wir leben und arbeiten könnten, ohne die Angst vor dem Hungertod im Nacken!«
Cornelius befreite sich heftig aus Jergs Umklammerung. Er verfluchte den Armen Konrad , durch den Jerg nun flüchten mußte wie ein gejagtes
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