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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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oder sie muß allein gesund werden!« Resolut stemmte Lene die Hände in die Hüften und wartete darauf, daß Asa ihren Worten folgte. Doch diese begann, meine Brust mit einer Salbe einzureiben.
    »Hier wird keiner mehr von selbst gesund, das kann ich dir sagen! Statt mich schon vor einer Woche zu rufen, spielst du hier mit Leben und Tod! Und überhaupt – wo ist eigentlich dein Mann, der Cornelius? Weiß er, wie’s um eure Schwägerin bestellt ist?«
    »Auf dem Feld ist er, wo sonst? Natürlich weiß er, wie’s Marga geht. Vor lauter Sorge um das Weib hat er mich schließlich zu dir geschickt. Auf meinem Mist ist das nämlich nicht gewachsen, daß du’s weißt!«
    »Dann scheint ja wenigstens einer im Haus etwas Verstand zu haben.« Sie nahm zwei Lumpen aus ihrem Sack, tauchte diese in einen Eimer Wasser und legte sie auf meinen Körper. »Marga glüht wie heiße Kohlen.« Scharf blickte sie Lene an. »Wann hast du ihr das letzte Mal Wasser eingeflößt?«
    Lene schaute schuldbewußt zur Seite. »So genau weiß ich das nicht mehr. Ich habe schließlich auch noch anderes zu tun! Wer weiß – vielleicht spielt sie uns sogar nur etwas vor!«
    Ich fiel wieder so tief in meine fiebrigen Träume, daß ich von dem bösen Streit, der Lenes rohen Worten folgte, genausowenig mitbekam wie von Asas überstürztem Aufbruch. Als sie kurze Zeit später mit Cornelius im Schlepptau wiedererschien, war mein Atem schon so flach geworden, daß mir die Luft kaum mehr zum Leben ausreichte. Auf einmal wurde mir völlig leicht zumute, und mir war, als schwebte ich wie ein Engel im Raum. Später erzählte mir Asa, daß dies wohl der Augenblick gewesen sein muß, als sie und Cornelius mich auf die eiligst zusammengebundene Bahre gelegt hatten. Doch daran kann ich mich nicht erinnern.
    Als ich das nächste Mal aufwachte, spürte ich sofort, daß irgend etwas anders war als vorher. Doch fühlte ich mich viel zu erschöpft, um mich aufzurichten. Kurze Zeit später fiel ich wieder in einen tiefen Schlaf, der jedoch erholsamer und ruhiger war als die fiebrigen Alpträume der letzten Wochen. Wie lange ich geschlafen habe? Ich weiß es nicht. Es werden sicherlich viele Tage und viele Nächte gewesen sein, denn als ich wieder zu mir kam, hatte ich das Gefühl, aus einem fremden Land zurückgekommen zu sein. Dabei war ich mir gar nicht sicher, ob ich das überhaupt wollte – zurückkommen – aus diesem fernen Land, in dem es keine Schmerzen an Leib und Seele zu geben schien. Doch kaum hatte ich mich entschieden, dort zu verweilen, war mir, als würde ich zurückgerufen in das Hier und Jetzt. So fügte ich mich widerwillig.
    Ich öffnete die Augen und schaute mich in einem unbekannten Raum um. Auf der anderen Seite sah ich eine Frauengestalt, die etwas über einem offenen Feuer zu trocknen schien. Seltsam, in diesem Augenblick wußte ich sofort, wo ich mich befand und wer diese Frau war. Nicht für einen Moment habe ich daran geglaubt, einem Engel oder einer Schutzpatronin gegenüberzustehen. Als ob sie mein Aufwachen gespürt hätte, drehte sich die Frau nun um, und unsere Blicke trafen sich.
    »Guten Tag, Marga, wie fühlst du dich?« In ihrer Stimme deutete nichts darauf hin, daß unsere Situation etwas anderes als selbstverständlich und normal gewesen wäre. Ich krächzte zurück, daß ich mich gut fühlte.
    »Wer hätte das geglaubt, daß dieser Martinitag außer denvielen Abgaben auch noch eine freudige Überraschung mit sich bringt!«
    »Martinitag ist heute, sagst du? Das kann nicht sein! Dann … Wie lange …?« Ich konnte es nicht fassen! Das letzte, woran ich mich erinnern konnte, war die Rübenernte. Und die hatte Ende September, Anfang Oktober stattgefunden. Wenn heute wirklich Martini war, bedeutete dies, daß ich ganze fünf Wochen krank gewesen sein mußte!
    Martini – das war der Tag, an dem die alljährlichen Arbeiten draußen auf dem Felde abgeschlossen sein sollten. Der Tag, an dem in jedem Jahr die Pacht an die Burg Taben und der Zehnte an das Kloster Weil entrichtet werden mußten. Der Tag, an dem Lene noch sauertöpfischer als sonst durchs Haus lief. Nein, Martini im Haus der Brauns war kein Tag zur Freude, so wie ich ihn aus meiner Kindheit gewohnt war. Meine Mutter hatte Martini immer den »Tag der Zaisle und Gaisle« genannt: Nachdem alle Abgaben, die Zinsen, bezahlt waren, ging es den Gaisle, also den Martinigänsen, an den Kragen. Oh, was waren das für Festessen gewesen! Die Erinnerung an meine Kindheit hoch

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