Die Silberdistel (German Edition)
droben auf der Alb tat mir gut. Ich mußte unwillkürlich lächeln.
Mit einem Becher heißer Flüssigkeit in der Hand kam Asa nun an mein Bett.
»Wie schön, ein erstes Lächeln auf deinem Gesicht zu sehen!« Sie seufzte. »Ehrlich gesagt hab’ ich manchmal schon an meiner Heilkunst gezweifelt. Aber ganz schlecht können meine heilerischen Fähigkeiten nun doch nicht sein, nicht wahr?« Ihr Gesicht strahlte und wärmte mich wie die ersten Sonnenstrahlen an einem Frühlingstag.
Obwohl mir Tausende von Fragen durch den Kopf gingen, begnügte ich mich im Augenblick lieber damit, das süße, heiße Gebräu zu trinken und mich in Asas Hütte umzuschauen.
Was mir dabei als erstes auffiel, waren die hellen, sauberen Wände, an denen ein Regal neben dem anderen angebracht war. Wo bei uns Mistgabeln, Eggen, Sensen und anderesArbeitsgerät an Haken an der Wand hing, standen bei Asa unzählige Tontöpfe herum. Große, kleine, dicke und dünne Töpfe, dazu tönerne Flaschen und Tiegel in jeder erdenklichen Schattierung von Hellgrau bis Dunkelbraun. Es war der reinste Augenschmaus. Was für eine große Verführung, in all diese Gefäße hineinzuschauen und deren Inhalt zu erkunden! Von der Decke hingen unzählige getrocknete Kräuterbündel herab und verbreiteten einen zarten Duft nach Heu. Und diese Stille! Kein Geschrei, kein Blöken, kein Muhen, kein Gackern – überhaupt schienen in diesem Haus keine Tiere zu wohnen. Konnte es wirklich sein, daß eine einzige Frau ein ganzes Haus für sich allein hatte? Ich mußte an die Enge in unserem eigenen Zuhause denken, wo man dauernd über eines der Kleinen stolperte, wo Hühner uns die Eßbank streitig machten und wo es in der qualvollen Enge kein Ausweichen vor Lene gab. Lene, die unentwegt darauf lauerte, mich oder Jerg abzukanzeln. Jerg …
Auf einmal hatte ich das Gefühl, als schnürte mir jemand die Luft ab, und ich begann zu röcheln und zu husten.
Asa streichelte mir wie einem Kind über den Kopf und sprach so lange mit ruhigen Worten auf mich ein, bis sich der Husten gelegt hatte. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Seltsam – so einen Husten hab’ ich noch nicht erlebt! Ich habe das Gefühl, als stecke hinter deiner Krankheit noch etwas anderes! Auch während du geschlafen hast, kamen die Hustenanfälle immer dann, wenn du dich im Traum über irgend etwas aufzuregen schienst. Dann hast du am ganzen Leib gebebt, mit den Füßen gestrampelt und wild mit den Armen um dich geschlagen. Sag, Marga, wem willst du etwas husten? Was bedrückt dich so sehr, daß du darüber nicht mehr gesund werden willst?« Asa wußte natürlich sehr genau, was mich bedrückte, dennoch wollte sie von mir eine Antwort haben.
»Ich … weiß … es nicht. Ich kann mich an fast nichts erinnern. Jerg, mein Mann …«
»Der hat fliehen müssen und hat dich hier zurückgelassen, ich weiß. Aber Marga, ein Grund zum Sterben ist das nicht!« Sie blickte mich an. »Ich als Heilerin kann mich noch so sehr um deine Gesundung bemühen – wenn du selbst nicht gesund werden willst, versagen meine besten Kräutlein! Darum bitt’ ich dich, Marga: Such in dir nach einem Grund zum Leben! Ich helfe dir dabei, das verspreche ich dir.«
Mit wahrhaft engelsgleicher Geduld holte Asa mich in den nächsten Wochen immer wieder aus meinen Dämmerzuständen in den Tag zurück, rieb mir bei Hustenanfällen Brust und Rücken mit ihrer bitteren Wermutstinktur und flößte mir Schluck für Schluck das Elixier der Hundsrose ein, welches meinem Husten den Garaus machen sollte. Kümmerte sie sich gerade einmal nicht um mich, schenkte sie anderen Kranken ihr Ohr. Den lieben Tag lang klopfte es an ihrer Tür: Da nuschelte einer etwas von einem Reißen in der Nierengegend und bekam eine Salbe in die Hand gedrückt. Der nächste hatte vor lauter Krätze blutige Arme und Beine und war tödlich beleidigt, als er von Asa kein Wundermittel bekam, dafür jedoch den Rat, wöchentliche Waschungen durchzuführen. »Leben wie die Schweine, fressen wie die Schweine, und wenn sie dann krank werden wie die Schweine, wundern sie sich!« brummte Asa, als der Kranke gegangen war. Ich mußte schmunzeln. Die meisten Besucher waren Frauen. Die eine hatte Zahnweh und jammerte laut und unentwegt, die andere beklagte sich über einen Juckreiz in einer unziemlichen Gegend, und die nächste fragte flüsternd und mit einem hochroten Kopf nach einem Liebestrunk, den sie ihrem Gatten verabreichen könnte. Dabei wurde ich an meinen eigenen Besuch bei
Weitere Kostenlose Bücher