Die Silberdistel (German Edition)
was hätte er sagen sollen? Asa fuhr indessen fort, den Teufel an die Wand zu malen. Wäre mir ihr verschwörerischer Blick von kurz zuvor nicht eingefallen, ich hätte händeringend um mein Leben gebangt!
»Sie braucht Tag und Nacht jemanden, der sich um sie kümmert. Ihr Rücken und ihre Brust müssen mit Wermut eingerieben werden, aus Kamille und Pfefferminz muß tagtäglich ein Aufguß gekocht werden, auf daß er ihre Atmung erleichtere. Essen und trinken darf sie nur ganz bestimmte Dinge, die der Erstarkung dienlich sind. Aber diese Heilbehandlung wird vermutlich kein Problem für euch sein, nicht wahr?«
Cornelius schaute betroffen drein. Dazu würde sich Lene nie und nimmer bereit erklären, das war ihm klar. Damit brauchte er ihr nicht zu kommen.
»Tja, eigentlich sind wir doch nur einfache Bauersleute, die von der Heilkunst nichts verstehen … Daß es so schlimm um sie steht, hab’ ich weiß Gott nicht gewußt. Aber – sie kann doch auch nicht ewig hierbleiben! Die Leute im Dorf reden schon. Sagen, ich könnt’ meine Schwägerin nicht mehr durchfüttern, jetzt, da ihr Mann weg ist.«
»Nun, wenn es sein muß, kann sie schon noch einWeilchen hierbleiben. Wenn es gar nicht anders geht, tät’ ich mich dazu bereit erklären, die Pflege bis, sagen wir einmal, März weiterhin zu übernehmen. Schließlich bin ich die Heilerin im Ort!«
Ich mußte schwer an mich halten, um nicht Beifall zu klatschen. Asa war eine kluge Verhandlungspartnerin. Nicht zu übereifrig, aber auch nicht ablehnend trug sie ihren Vorschlag vor. Cornelius schien jedoch noch nicht völlig überzeugt zu sein.
»Das ist ja alles schön und gut, aber wie sollen wir dies bezahlen? Die ganzen Mittel, der Tee und die Salben, wie sollen wir dir das je wieder gutmachen?« Nun setzte Asa scheinbar zu ihrem letzten Streich an. »Nun …« kam es so zögerlich, als würde sie sich kaum trauen, weiterzusprechen. »… wenn du hin und wieder etwas zum Essen vorbeibringen würdest, täte das schon helfen …«
Erschrocken blickte ich auf. War ich also doch eine Last für sie? So sehr war ich mit mir und meinem Leid beschäftigt gewesen, daß ich kein einziges Mal danach gefragt hatte, ob Asa denn genügend Lebensmittel für zwei hatte! Doch als ich hörte, wie Cornelius erleichtert anbot, während meines weiteren Krankenaufenthaltes wöchentlich einen Korb mit Lebensmitteln vorbeizubringen, verstand ich Asas Taktik: Sie hatte meinem Schwager einen Weg gezeigt, wie er etwas tun konnte, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Und genau das wollte er, die gute Seele. Wie gerne hätte ich auch selbst etwas dazu beitragen wollen, um nicht immer nur von anderen abhängig zu sein. Nur wie?
Kurze Zeit später verabschiedete sich Cornelius mit dem Gefühl, das beste für mich entschieden und wie ein guter Schwager gehandelt zu haben. Wie recht er hatte! Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, fiel ich Asa dankbar um den Hals.
»Ich kann’s nicht glauben! Noch drei Monate, in denen ich ›Lene Griesgram‹ nicht begegnen muß! Ich glaube, ichbin im Himmel gelandet und du bist ein Engel, Asa.« Ich war überglücklich. Auf einmal sah alles gar nicht mehr so schlimm aus. »Und wer weiß? Wenn ich im Frühjahr zurückkehre, ist Jerg vielleicht schon wieder da.«
»Wer weiß es, in der Tat …«
Listig blickte sie mich an, und urplötzlich hatte ich das Gefühl, daß nun etwas Unangenehmes auf mich zukam. Und ich hatte recht.
»Sag Marga, glaubst du nicht, es wäre mal an der Zeit, über deinen liebsten Jerg zu sprechen? Würde es nicht guttun, dir endlich einmal alles von der Seele zu reden? Vielleicht habe ich auch das eine oder andere dazu zu sagen?«
Und ich wußte, daß nun der Zeitpunkt gekommen war, den Flickenteppich erneut hervorzukramen und endlich das große Stück in der Mitte wieder einzusetzen.
2.
»Guten Abend miteinander! Ich bin gekommen, um ein gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen.«
»Euer Wunsch muß heftig gewesen sein, lieber Pfarrer, denn ein normaler Mensch würde in dieser Nacht kaum freiwillig sein Haus verlassen.«
»Hast du mich wieder ertappt, du altes Kräuterweib! Nun ja, vielleicht käme mir ein Becher von deinem Gewürzwein nicht unbedingt ungelegen …«
Während Asa und Pfarrer Weiland freundschaftlich die Worte kreuzten wie Speerspitzen, hatte ich für unseren Besucher nur ein müdes Kopfnicken übrig. Seit meinem Gespräch mit Asa über Jerg am Tag zuvor hatte ich das Gefühl, als lebte ich in einer
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