Die Silberdistel (German Edition)
gedankt, daß der Mann in jener Nacht zu betrunken gewesen war, um mir tatsächlich die Jungfräulichkeit zu rauben! Bei ein paar halbherzigen Versuchen war es damals geblieben, dann war er laut grunzend eingeschlafen. Als ich ihn zwei Stunden später weckte, ging er jedoch mit der festen Überzeugung von mir, sein Recht genutzt zu haben, was nicht zuletzt von einem mit Kirschsaft gefärbten Stück Leinen herrührte.
Auf einmal spürte ich die Blicke der anderen Frauen auf mir ruhen, die darauf warteten, daß ich mich zu Josts neuester Schandtat äußerte.
»Das sollte wohl ein neuer Beweis dafür sein, wie mächtig er geworden ist. Denkt doch nur einmal nach: Zuerst hat er unsere Männer kleingekriegt. Er hat sie bestraft, davongejagt oder umbringen lassen, weil sie es wagten, sich gegen die bestehenden Gesetze aufzulehnen …«
Skeptisch hörten die Frauen mir zu. Bevor mich der Mut verlassen konnte, fuhr ich fort, meine Ansicht zu äußern. »Und denkt doch nur, was er mit den Zigeunern gemacht hat. Wer bleibt denn nun noch übrig, außer uns Frauen? Jetzt will er auch uns kleinkriegen!«
»Das hat er wohl geschafft«, stellte Katharina mit einem bedeutungsvollen Seitenblick auf Sophies verheultes Gesicht fest.
Gerade als wir wieder unserer Wege gehen wollten, war das Geklapper von Pferdehufen zu hören. Unwillkürlich zogen die Frauen ihre Köpfe ein. Von den Bauern aus der Umgebung besaß keiner mehr ein Reitpferd, also mußten es entweder Fremde oder Soldaten von der Burg sein. Schon seitlangem bedeuteten Reiter nichts Gutes mehr in unserem Dorf.
»Was steht ihr hier herum und haltet Reden, ihr faules Pack!« Noch bevor man ihn sehen konnte, war der Burgverwalter zu hören. »Wartet nur ab, bis ich die Peitsche auf euch verwende, dann werdet ihr springen wie die Hasen, hahaha!«
Verschüchtert drängten sich die Frauen zusammen. Ich blickte zu Sophie, die am ganzen Leib zu zittern begann. Da stellte ich mich vor sie, so daß ihr der Anblick ihres Peinigers erspart blieb. Jost hatte in der Zwischenzeit sein Roß zum Stehen gebracht und lehnte sich bequem im Sattel zurück.
»Du da! Komm her!« Mit der Reitpeitsche deutete er auf mich. Zaghaft machte ich einen Schritt nach vorne. Dabei hielt ich meinen Blick krampfhaft in die Ferne gerichtet. »Du bist doch das Weib, das bei Asa untergekommen ist, nicht wahr?« Ich nickte. Wollte er mich jetzt auch auf die Burg holen? Doch urplötzlich schien er sein Interesse an mir wieder verloren zu haben, denn nun wandte er sich an alle Frauen:
»Hört gut zu, was ich euch zu sagen habe, ihr faulen Weibsbilder. Ab morgen ist auf der Burg Fron angesagt. Und zwar für euch alle. Noch vor Morgengrauen steht ihr am Burgtor – und zwar für das ganze Pfingstfest, ist das klar? Sagt das auch den anderen Weibern im Dorf, auf daß mir keine fehlt!«
Die Frauen nickten stumm. Von Josts nasser Aussprache hatte ich eine Ladung Spucke auf die Schulter abbekommen, die ich angeekelt wegzuwischen versuchte. Im gleichen Moment blickte er wieder auf mich herab, und ein spöttisches Lächeln umspielte dabei seine Lippen. »Sag der Heilerin, daß ich sie morgen ebenfalls auf der Burg brauche. Sie soll ihre Medizin mitbringen!« Mit einem Schnalzer nahm er die Zügel seines Rappen wieder auf und wendete sich zum Gehen.
›Wahrscheinlich hat er wieder Warzen an seinem fetten Hintern‹, schoß es mir durch den Kopf, doch zum Lachenwar mir dabei nicht zumute. Über Pfingsten Frondienst! Ich hoffte, daß mir meine Bestürzung nicht anzusehen war. Wie sollte ich meinen Plan in die Tat umsetzen, wenn ich just zu dieser Zeit auf der Burg zu schaffen hatte? Doch dann gab ich mir innerlich einen Ruck. Irgendwie würde es gelingen. Und außerdem – mit herzöglichem Besuch würde das Ganze noch viel wirkungsvoller ausfallen!
Ich schaute in die Runde der Frauen. Noch vor kurzem hatte ich mir überlegt, ob ich nicht besser umkehren und auf deren Gesellschaft am Brunnen verzichten sollte. Nun war ich eigentlich froh, daß ich es nicht getan hatte. Mochten die Frauen auf ihre Art auch etwas seltsam sein, gute Seelen hatten sie trotzdem alle. Plötzlich überfiel mich der unwiderstehliche Drang, sie aufzuheitern, egal, ob ich mich dadurch unnötig in Gefahr brachte oder nicht.
»Eines versprech’ ich euch! Am Morgen des Pfingstsonntags werdet ihr alle etwas erleben, was vieles entschädigen wird, was uns von denen auf der Burg angetan wurde!« Mehr verriet ich nicht, mochten die Weiber mich
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