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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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versuchte sodann, mich vorsichtig aus der Kirchenbank zu schleichen. In weiser Voraussicht hatte ich ganz am äußersten Ende Platz genommen, so daß ich unbemerkt hinausgelangen konnte.
    Etwas erhitzt und außer Atem war ich wieder zurück, noch bevor Weiland den Segen erteilte. Dabei klopfte mein Herz so sehr, daß ich dachte, man würde es durch das grobe Leinen meines Leibchens hüpfen sehen. Ich tat, als würde ich Asas fragenden Seitenblick nicht bemerken, und sang mit allen anderen inbrünstig das Halleluja zum Schluß des Gottesdienstes.
    Danach sammelten sich die Kirchenbesucher vor dem Gotteshaus. Jeder wollte den Herzog und seinen Troß bestaunen, denn schließlich kam es nicht alle Tage vor, daß so hoher Besuch den Gottesdienst mit den Dorfbewohnern teilte. Von Weiland wußte ich außerdem, daß Ulrich darauf bestanden hatte, daß er, der Dorfpfarrer, den Gottesdienst halten sollte, statt, wie bei so hohem Besuch sonst üblich, Abt Richard für diese Aufgabe zu bestellen. Vielleicht war dies als eine Art Versöhnungsgeste gegenüber uns, den einfachen Leuten, gedacht, vielleicht hatte der Herzog diese Entscheidung jedoch auch nur aus einer Laune heraus getroffen. Mir war es gleich. Nie und nimmer konnte ich diesem Mann verzeihen, was er uns angetan hatte. Doch die meisten Dorfbewohner besaßen wohl ein größeres Herz, oder war es nur ein schlechteres Gedächtnis? Noch lange, nachdem Herzog Ulrich und Herzogin Sabina vorbeistolziert waren, verharrten sie ergriffen in ihrem Kniefall. Wenigstens ging ihre Ehrerbietung nicht soweit, daß sie diese auf Jost samt ›Gemahlin‹ ausgeweitet hätten. Denn wie auf ein geheimes Kommando hin erhoben sich die Leute bei deren Anblick wieder aus ihrer gebeugten Haltung und versperrten ihm wie zufällig den Weg. Ich beobachtete, wie der Herzog und sein Weib über eine mit Brokat und Silberbeschlägen verzierte Stufe in ihre nicht minder prächtige Kutsche einstiegen. Die Dorfbewohner hatten sich in der Zwischenzeit hinter der Kutsche aufgestellt, um das Herzogspaar zu Fuß zur Burg hoch zu geleiten. Ein gutes Dutzend der Frauen, darunter auch ich, mußten am Nachmittag während des Turniers bei derBewirtung der Gäste helfen, die anderen wollten nach dem Marsch wieder zurück auf den Dorfplatz zur Pfingsthock. Josts Kutsche bildete das Ende unseres Zuges, gerade so, als wolle er uns Opferlämmer zum Schafott treiben. Na, der hatte noch eine Überraschung vor sich …
    Kaum hatte unser Zug die ersten Kurven des Burgwegs hinter sich gelassen, da fing es an.
    Das Lachen.
    Waren es zuerst nur einige zögerliche Gluckser, so schwoll das Lachen langsam zu einem riesigen Sturm an, der alle Bande durchbrach, die das Leben der Menschen beengten und gefangenhielten. Es war ein befreiendes Lachen, das die Menschen voller Lust und ohne Hemmungen von sich gaben.
    Ich sah, wie der Herzog sich verwundert umdrehte, um den Grund für die Belustigung der Bauern zu entdecken. So sehr er auch durch das enge Fenster seiner Kutsche starrte, konnte er trotzdem nicht sehen, was die Dorfbewohner längst erspäht hatten:
    Am Tor von Burg Taben hatte ich einen Pfingstlümmel befestigt, der genauso aussah, wie jene Puppen aus Stroh üblicherweise aussahen, die bei den Frauen im Dorf gefürchtet waren wie der Teufel! Jedes Jahr stellten sich die Weiber aufs neue die Frage: Welche ist die Ungeliebteste im ganzen Dorf? Welche bekommt in der Nacht zum Pfingstsonntag den Pfingstlümmel aufs Dach gesetzt? Es gab Jahre, in denen auch ich nächtelang wachgelegen hatte und meine Sünden an mir vorbeiziehen ließ, in der festen Überzeugung, dieses Mal würde es mich erwischen. Schon bei der Vorstellung, welche Schmach und Schande dieses Symbol der Ungeliebtheit für die Betroffene bedeutet, war mir stets angst und bange geworden. Bei meinem Pfingstlümmel gab es diesmal allerdings einen kleinen Unterschied zu denen aus den Vorjahren: Statt mich mit einem kleinen Püppchen zu begnügen, hatte ich in einem Versteck im Wald ein lebensgroßes Vieh zusammengebastelt! Und so hing mein Lümmel, größer alsmancher Mann, an Sureyas Tor. Und noch eine besondere Boshaftigkeit hatte ich mir einfallen lassen: Zwei aufgeblasene Schweinsblasen, auf den Leib aufgenäht, dienten als riesige Brüste, und ein Stück Darm, mit getrockneten Bohnen gefüllt, hing der Puppe zwischen den Beinen. Dies entging natürlich niemandem, der an diesem schönen Sonntag dastand und mein Werk bestaunte. Und auch die Ähnlichkeit mit

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