Die Silberdistel (German Edition)
rote Saft sicher in Flaschen abgefüllt war. »Ach, nur so …«
Doch damit gab sich Asa nicht zufrieden. »Höre ich da nicht einen spitzbübischen Klang in deiner Stimme? Jetzt rück schon mit der Sprache heraus: Willst du die Ausgießung des Heiligen Geistes vielleicht auf eine besondere Art feiern?«
Wieder einmal mußte ich die scharfsinnige Beobachtungsgabe meiner Freundin bewundern. Da hatte ich mich sobemüht, beiläufig zu klingen, und dennoch roch Asa den Braten!
»Das heilige Pfingstfest, hältst du es nicht auch für eines der schönsten Kirchenfeste?« versuchte ich sie abzulenken.
»Nun ja, du weißt ja, was ich von allem Kirchlichen halte, Weiland einmal ausgenommen. Aber du hast recht, Pfingsten hat etwas so Fröhliches an sich.«
»Und außerdem ist es das letzte Fest vor dem langen Sommer, der für uns Bauern nur aus Arbeit und Mühsal besteht. Kein Wunder, daß Jerg und Cornelius sich jedes Jahr das Pfingstbier besonders schmecken ließen! Danach bleibt den Männern schließlich bis nach der Ernte kaum eine freie Minute zum Bechern und Zechen.«
Asa sah mich schräg an. »Vermißt du die Landarbeit eigentlich sehr?«
Für einen kurzen Moment wurde ich nachdenklich. Nein, ich konnte nicht behaupten, daß mir das Aufstehen im Morgengrauen, das Kühehüten und die Arbeit auf dem Acker fehlte. Da gefiel mir das Leben bei Asa doch besser. Meine Strohschuhe konnte ich mittlerweile schon fast im Schlaf herstellen, so geläufig waren mir die Handgriffe geworden. Und an Käufern mangelte es mir ebenfalls nicht.
»Irgend etwas führst du doch im Schilde, Marga, das spür’ ich so deutlich, wie wenn das Wetter umschlägt! Red schon, was ist es?«
»Vielleicht hab’ ich ja vor, die Rolle des Pfingstbutz zu übernehmen?« Ich lachte schelmisch.
»Und von Haus zu Haus zu laufen und dabei ein Sprüchlein aufsagen? Nein, das würdest du dich nicht trauen. Und außerdem ist der Pfingstbutz ein Mann!«
»So, und wer weiß das schon unter der dicken Verkleidung?
Das Sprüchlein könnt’ ich schon aufsagen. Paß auf:
›Pfingstbutz bin ich genannt,
Eier und Schmalz sind mir wohlbekannt,
Mehl schlag’ ich auch nicht aus,
meine Kameraden und ich backen Dötsche daraus.‹«
»Und ich bin dann wohl mit den Kameraden gemeint, wie? Willst du etwa aus meiner Kräuterküche ein Backhaus für Dötschen machen?« Diese Vorstellung war nun doch zu komisch, und Asa begann zu kichern. Ich war froh, daß ich sie abgelenkt hatte, und da ich verhindern wollte, daß Asa erneut zu bohren anfing, bot ich mich an, frisches Wasser zu holen.
Am Brunnen traf ich auf eine Gruppe von Frauen, die sich aufgeregt unterhielten. Alle sprachen wild durcheinander, und ich verstand gar nichts. Katharina, die zur gleichen Zeit gekommen war, schien es ebenso zu gehen.
»Seid doch mal für einen Moment still!« Katharina, das Weib von Oskar Klein, stampfte kräftig mit dem Fuß auf den Boden, worauf die anderen verstummten. »Auch ich will jetzt endlich wissen, was passiert ist. Sophie, erzähl doch endlich!«
Sophie war die jüngste von drei Töchtern im Hause des Schmiedes, deren unverheiratetes Dasein ihrem Vater ein gewaltiger Dorn im Auge war. Aber wer hätte die armen Mädchen heiraten sollen? Wo doch so viele der jungen Männer entweder tot oder geflohen waren? Trotz alledem war Sophie immer vergnügt und sprudelte geradezu vor Übermut. An diesem Tag allerdings nicht. Leichenblaß stand sie da. Die Haare hingen ihr strähnig ins Gesicht und konnten dennoch ihren stumpfen Blick nicht verdecken. Was ich nun erfuhr, war so ungeheuerlich, daß ich es zuerst gar nicht glauben mochte: Jost hatte Sophie und drei andere Jungfrauen auf die Burg kommen lassen, um sie zu fragen, warum sie noch keinen Bräutigam hatten! Mehr brachte Sophie nicht heraus, dann schossen wütende Tränen über ihr Gesicht. Hilflos standen die anderen um sie herum. Aufgeregt fragte Katharina in die Runde: »Und was passierte dann?«
»Die Soldaten haben sich an ihr vergangen! Mit Josts Zustimmung. Stell dir das nur vor! Jetzt weißt du, warum wir uns so aufregen. Schlimm genug, daß der Lehnsherr dasRecht auf die erste Nacht hat – aber so etwas hat es bisher nicht gegeben!«
Stumm blickte ich zu Sophie hinüber. Bei der Vorstellung, was die groben Burschen ihrem zarten Leib angetan hatten, grauste es mich, und ich erinnerte mich an meine eigene Nacht vor der Hochzeit, die ich ebenfalls mit Jost verbringen mußte. Wie hatte ich damals meinem Schöpfer
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