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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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auch noch so drängen. Ich wollte nur noch heim, denn bis zum Pfingstsonntag gab es noch viel zu tun …

5.
    Wie es sich für ein Hochfest ziemt, hatte auch das Wetter ein Erbarmen mit uns. An einem taubenblauen Himmel zogen weiße Wölkchen vorbei, die wie dicke, frischgewaschene Wollknäuel aussahen. Über allem strahlte fleißig die Sonne wie eine riesengroße Butterblume. Um das Kirchentor wanden sich grüne Girlanden aus Buchsbaum, in die bunte Blüten gesteckt worden waren, und in der Kirche selbst waren die Bänke brechend voll. Die ersten fünf Reihen wurden von Herzog Ulrichund seinen Gästen eingenommen, die mit ihren prächtigen und ausladenden Gewändern kaum Platz auf den schmalen Bänken fanden. Sabina, die Herzogin, zupfte unentwegt an ihren Puffärmeln herum oder nestelte an ihren Bändern. Ihrer unfreundlichen und verkniffenen Miene nach zu urteilen mußte das Leben an der Seite eines Herzogs nicht gerade ein Honiglecken sein. An ihrer linken Seite saß des Herzogs Stallmeister, Hans von Hutten, der statt seiner dunkelgrünen Uniform diesmal eine tiefrote Jacke trug, deren Kragen mit schwarzem Samt verbrämt war. Hutten war schon vor zwei Tagen angereist und hatte sich um die Vorbereitungen für das geplante Ritterturnier gekümmert. Er gehörte zwar nicht zu unsresgleichen, aber ein stattliches Mannsbild war er allemal, und man mußte als Weib schon blind sein, um ihn zu übersehen. Vor allem Huttens Augen waren es, die mich in den Bann zogen. Ihre Farbe war so sanft und schmeichelnd wie dickflüssiger, dunkelgelber Honig, und im Sonnenlicht tanzten darin kleine, dunklere Sprenkel lebhaft hin und her. Am Ende dieser ersten Reihe saßen ein kräftiger Mann in einer goldverzierten Uniform und ein junges Mädchen, das wohl seine Tochter sein mußte. Wenn Blicke töten könnten, wäre dieses Kind nicht mehr unter uns gewesen, denn die Herzogin warf ihm einen giftigen Blick nach dem anderen zu, was ich von meinem Sitzplatz aus recht gut beobachten konnte. Markus Jost in einem dunkelblauen Rock und neben ihm Sureya, ebenfalls dunkel gekleidet, saßen in der Reihe direkt dahinter. Ihr Haar trug sie seit Wochen schon zu einer ellenlangen Krone aufgetürmt, was ihr im Dorf den Spottnamen ›Burgfräulein‹ eingebracht hatte. Auf der gleichen Bank hatten Scheuffele, der Büttel, und Karl Saam, der Besitzer der Sämerei, Platz genommen. Mit Erleichterung stellte ich fest, daß sogar die Burgsoldaten da waren. Lustlos standen sie im hintersten Eck des Gotteshauses.
    Wieder einmal verstand es Weiland, die Menschen mit seinen Worten zu fesseln. Mir war nicht bekannt, daß auchandere Pfarrer es so hielten wie Weiland, der nach dem lateinischen Teil der Predigt immer auch ein paar Worte in Schwäbisch sagte, so daß wir etwas verstehen konnten. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund, sondern sagte, was ihm auf dem Herzen lag, und zwar so, wie ihm der Schnabel gewachsen war. So manches Mal habe ich vor Angst zitternd in der Kirche gesessen und gedacht, im nächsten Augenblick würden die Soldaten nach vorne stürmen und Weiland wegen ketzerischer Widerrede mitnehmen. Auch Asa hatte den Gottesmann schon davor gewarnt, es mit seinen Reden nicht zu weit zu treiben, worauf dieser jedoch nur abgewinkt hatte.
    »Was soll ich denn sonst machen, Asa? Ich habe kein Geld, um es an Bedürftige verteilen zu können, genausowenig, wie ich eine Speise zum Verteilen habe. Froh muß ich sein, wenn ich selbst satt werde. Was also kann ich den Menschen anbieten außer einer deftigen Rede? Daß ich sie darin hin und wieder auf die irdischen Mißstände hinweise und nicht immer nur vom Himmelreich rede – wer soll’s mir verdenken?« Jost zum Beispiel, hatte Asa daraufhin entgegnet. Oder der Abt vom Kloster Weil, hatte ich noch hinzugefügt, denn daß dieser seinem Schützling nicht ganz grün war, hatte Weiland uns schon vor längerer Zeit einmal gebeichtet. Doch unsere Warnungen stießen auf taube Ohren.
    Und diesmal hielt Weiland es nicht anders, Herzog hin oder her. Gerade setzte er zu einer gewaltigen Rede an, die davon handelte, daß der Mensch doch eigentlich nur einem Herrn dienen sollte, und der sei Gott, der Herr im Himmel. Ich blickte erst zu Herzog Ulrich, der jedoch die Augen geschlossen hatte und ein Nickerchen zu halten schien, und dann zu Jost, der halb amüsiert und halb verärgert dreinblickte. ›Besser, er belächelt Weilands Predigt, als daß er ihn aus der Kirche werfen läßt‹, dachte ich bei mir und

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