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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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sie für gewöhnlich nannte. Sie hatten dunkel getönte Haut, rabenschwarzes Haar und Augen wie Kohlestücke. Tanzen konnten sie wie nur irgendwer, singen und trommeln, fiedeln und pfeifen. Jacko war der Älteste, vielleicht zwanzig, dann kam Imre, dann die kleine Meli, die einen so dehnbaren Körper besaß, dass sie die irrwitzigsten Verrenkungen machen konnte. Alle redeten sie in einem seltsamen Mischmasch aus fremden Dialekten und Sprachen, an die man sich erst gewöhnen musste, um sie gut zu verstehen. Sara musste sofort ihren Wagen besichtigen und sich einige ihrer Lieder anhören, manche davon lebhaft und fröhlich, andere von seltsamer Schwermut.

    Und dann, am späten Nachmittag des dritten Tages, erreichten sie Siegburg. Es wurde ein prachtvoller, aufsehenerregender Einmarsch, den die Truppe beinahe wie ein heiliges Ritual zelebrierte. Die Siegburger liefen zusammen, klatschten, staunten und jubelten. Eine Abwechslung, wie sie die Fahrenden brachten, war hoch willkommen im täglichen Einerlei der kleinen Stadt. Der Stadtbote überbrachte ihnen schon nach kurzer Zeit die Erlaubnis des Rats, auf dem Oberen Marktplatz ihr Lager aufzuschlagen, und sofort verfielen die Fahrenden in ameisenhafte Geschäftigkeit.
    Sara ging gleich zu Janka und Pirlo, um sich zu verabschieden. Sie wollte keine Zeit verlieren. »Dank euch für alles«, sagte sie. »Lebt wohl und alles Gute.«
    Die beiden umarmten ihre Mitreisende herzlich. »Viel Glück, Kindchen«, lächelte Janka. »Ich hoffe, du findest deine Familie hier.«
    Sara machte sich auf den Weg.
    Unschlüssig streifte sie eine Zeitlang durch die Gassen. Sie fand weder eine Synagoge noch eine Mikwe, noch entdeckte sie Häuser mit einer Mesusa im Türstock. Schließlich betrat sie eine Werkstatt, in der ein alter Mann hinter seiner Töpferscheibe saß und ein bauchiges Gefäß formte.
    »Verzeiht, Meister, darf ich Euch fragen, ob es hier in Siegburg Juden gibt?«
    Der Alte hörte auf, mit den Füßen die Scheibe zu drehen, und sah sie misstrauisch an. »Und was wollt Ihr wohl von denen, he?«
    Sara erschrak. Beinahe hätte sie sich verraten. »Oh, ich … ich will einen Ring verpfänden, weiter nichts.«
    Die Miene des Töpfers wurde freundlicher. »Da habt Ihr Pech, Jungfer.« Bedauernd hob er seine tonbeschmierten, braunglänzenden Hände. »Nach dem großen Brand vor zehn Jahren sind alle Juden weggezogen, und danach hat der Rat keine mehr hereingelassen. Wenn wir Geld leihen wollen, gehen wir nach Köln, das ist besser, als diese Brut in der Stadt zu haben. Versucht dort Euer Glück.«
    Sara stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Sie trat ins Freie und blinzelte die Tränen weg. So sicher war sie sich gewesen! Und nun? Was sollte sie nun tun? Wohin gehen? Sie hatte nicht weiter gedacht als bis Siegburg. So weit hatte ihr Weg sie geführt, von Köln über München bis hierher, und alles war umsonst gewesen. Sie fühlte sich wie betäubt, ihr Kopf war leer, sie konnte nichts mehr denken. Sie hatte keine Kraft mehr. Ihre Familie war endgültig verloren, wo sollte sie denn noch suchen? Mit unsicheren Schritten ging sie zu dem Schöpfbrunnen, aus dem die Töpfer ihr Wasser holten, setzte sich auf die Stufen und umfing ihre Tasche auf den Knien. Todmüde legte sie die Stirn auf das warme, trockene Leder und schloss die Augen.

    Eine fröhliche Melodie riss sie aus ihren Gedanken. Sie hob den Kopf, und wie durch einen Schleier sah sie Pirlo, Ciaran und die beiden jungen Zigeuner mit ihren Instrumenten die Gasse entlangkommen, gefolgt von Braunäugel und dem Schwein. Zum ersten Mal hörte Sara den Mann von der Insel singen, ein anzügliches Spottlied, das von einer jungen Rittersfrau handelte, die ihren viel älteren Ehemann frech mit einem Pfaffen betrog:
» … der selbe Ritter hett ein Weib,
die hett ein wunderschönen Leib,
dasz sie waz gut zu sehen an,
dabei war vil zu altt der Mann ...«
    Das bunte Grüppchen kam näher, und die Fenster in den umliegenden Häusern öffneten sich. Die Leute winkten gut gelaunt, Kinder rannten herbei, und sogar der alte Töpfer steckte seinen Kopf aus der Werkstatt.
» … da waz ein armer Kapellan,
waz von der Lieb wol angethan,
sobald er hört der Glocken Klang
so hett er sunderlich Gedrang:
Mit den schönen Weiben
Wollt er die Zeit vertreiben ...«
    Sobald Ciaran sein Stück zu Ende gebracht hatte, breitete Pirlo die Arme aus und rief: »Morgen, ihr Leut, zur Mittagsstund, könnt ihr hören und sehen, was die

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