Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
du?«
»Sa … « Fast hätte Sara ihren Namen genannt, doch im letzten Moment biss sie sich auf die Zunge. Wer wusste schon, wie diese Fahrenden zu Juden standen? Vielleicht hassten sie sie ja? Auch wegen Chajim wollte sie keinen Fehler machen. »Sanna heiß ich«, sagte sie. »Von Susanna. Und wenn Ihr mich unter Euren Schutz nehmt, komme ich gern bis Siegburg mit Euch.«
»Brav, Sanna«, brummte eine Stimme hinter ihr. »Kannst mich Pirlo nennen, ich bin Finus’ Großvater. Und ich führe diesen Haufen hier an. Eigentlich wollten wir heute Mittag schon weg sein, aber dieser Spitzbub hier« – er fuhr Finus übers Haar –, »hat alles durcheinander gebracht.«
»Habt ihr Hunger?«, unterbrach Janka. »Es ist noch Suppe da.«
Sie setzten sich auf ein paar Strohballen ums Feuer, und die Alte schöpfte ihnen aus dem riesigen Hängekessel Brühe mit Gemüse und Graupen ein. Während sie aß, sah Sara zwei Männer auf das Lager zukommen. Einer war lang und schlaksig, hatte rabenschwarze Locken und breitete jetzt resigniert die Arme aus. Der andere war blond, mittelgroß und kräftig, trug ein blankes Schwert am Gürtel und sah aus, als ob er damit umgehen konnte. Müde rief er: »Nichts! Er ist wie vom Erdboden verschluckt!«
Dann fiel sein Blick auf Finus, der aufgestanden war und ihm auf einem Bein stehend fröhlich zurief: »Hier bin ich, hier!« Er lief auf den Kleinen zu und schloss ihn in die Arme. »Du Lauser, wir haben uns alle Sorgen gemacht! Noch einmal such ich dich nicht, das sag ich dir!«
Auch der Dunkelhaarige trat näher. »Was war denn los?«, fragte er. Er sprach mit einem merkwürdigen Akzent und ungewohnter Betonung; seine Stimme war sanft und dunkel.
»Sie hätten mich fast erwischt«, erzählte Finus. »Ich hab mir das Bein gebrochen, aber dann hat mir Sanna hier geholfen. Sanna, das ist Ciaran. Er kommt von einer Insel im Meer, und er singt und spielt die Harfe.«
Ciaran strahlte sie an mit den blauesten Augen, die Sara je gesehen hatte. »Wenn mir eine solch schöne Frau hilft, würd ich mir auch gern ein Bein brechen«, sagte er lächelnd.
»Und das ist mein bester Freund Ezzo«, plapperte Finus weiter. »Der stärkste Kämpfer und edelste Ritter im ganzen Land.«
»Glaubt ihm kein Wort«, sagte Ezzo fröhlich und reichte ihr die Hand. »Danke, dass Ihr ihn hergebracht habt.«
»Sanna wird uns bis Siegburg begleiten«, mischte sich Pirlo ein. »Ich hab mir gedacht, dass sie in deinem Wagen schläft, Ciaran, und du derweil zu Ezzo ins Zelt ziehst.«
»Go maith.« Ciaran nickte Sara zu. »Komm, ich zeig dir meinen Wagen.«
Sara folgte ihm durchs Lager. Ihr anfängliches Misstrauen war gewichen, und nun freute sie sich, die Fahrenden getroffen zu haben. Es waren, so schien es zumindest, offene und freundliche Menschen, und sie müsste bis Siegburg nicht alleine reisen.
Musik und Tanz, 15. Jhd.
Still trat ein Paucker ein,
und aus der Pfeiffen sein
tönt ein Moriskentanz.
Ein Narr nachfolgen tat,
der einen Kolben hatt,
damit er unbedacht
ein grosz Gefuchthel macht.
Darnach ein Weibsbild zart,
geziert nach Wunsches Art,
kombt mit sechs Mohren stoltz,
die arabischen Goldts
tragen an Arm und Ohrn,
desgleichen hint und vorn.
Ein Apfel schön und rot
dies Weibsbild von ihr bot,
welcher das Beste tät,
dass ihn derselbig hätt.
Ihr Tantzen hatt solch Art,
dass kaum desgleichen ward.
Etlicher für sich sprang,
hoch weit und auch gar lang,
und kehrt den Kopf hint um,
stund mit den Seiten krumm,
und mit den Bein’ verschränkt,
die Arm gar ganz verrenckt.
Siegburg, Juni 1414
Gie brauchten drei Tage bis nach Siegburg, Tage, in denen Sara Pirlos Truppe kennenlernte. Da war Gutlind, eine dicke Blondine mittleren Alters, die einen geräumigen, blutrot bemalten Wagen ganz für sich alleine hatte. Sara konnte sich denken, warum: Gutlind war so eine, die sich von Männern bezahlen ließ! Sie sah Sara erst einmal mit argwöhnischem Blick an, weil sie befürchtete, nun Konkurrenz zu bekommen, doch als sie erfuhr, dass die andere lieber nichts mit Männern zu tun hatte, wurde sie herzlich.
Schwärzel, der Kettensprenger und Tierbändiger, machte Sara erst einmal Angst. Er war ein Bär von einem Kerl, überall haarig, und konnte vor Kraft kaum laufen. Zur Begrüßung brummte er etwas, das sie nicht verstand, und zu allem Überfluss führte er an einem Nasenring einen zottigen Bären bei sich, der wild und böse aussah. Doch dann pfiff Schwärzel zwischen den Zähnen, und
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